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Wertschätzung ist wichtig

Viele Großeltern sind heute intensiv in die Betreuung ihrer Enkel eingebunden. Dadurch ergeben sich immer wieder Anlässe für Konflikte, bei denen sich manchen Großeltern die Frage stellt: „Spreche ich es den Eltern gegenüber an oder behalte ich lieber für mich, was mich stört?“ Mit diesem Thema beschäftigt sich die „Paulinus“-Lebensberatung.
Damit das Miteinander von drei Generationen funktionieren kann, sind Offenheit und Wertschätzung wichtig.
Datum:
24. Jan. 2016
Von:
Andrea Mohr

Frau M. ist 67 und eine liebevolle Großmutter, die für ihre drei Enkel zwischen drei und sieben Jahren eine wichtige Bezugsperson ist. Zweimal die Woche, immer dann wenn ihre Schwiegertochter ganztags arbeitet, kümmern sie und ihr Mann sich um die Enkel. Holen sie von Kindergarten und Schule ab, kümmern sich um Mittagessen, Schulaufgaben und Freizeitaktivitäten.

„Es macht mir Freude“, sagt sie in der Beratung, „aber manchmal stoße ich dabei auch an meine Grenzen!“ Denn die Schwiegertochter macht so vieles anders als sie selbst, und auch der Umgang mit Kindern hat sich im Vergleich zu der Zeit, als sie selbst Mutter war, drastisch geändert! Sie habe ein paarmal Kritik gegenüber der Schwiegertochter geäußert:  „Schließlich muss ich doch meine Meinung sagen, wenn es um das Wohl der Kinder geht!“ Doch dann sei ihr Sohn zu ihr gekommen, habe gesagt, dass seine Frau gekränkt sei und ihnen die Kinder nicht mehr geben wolle, wenn sie so sehr an ihr herumkritisiere und so wenig akzeptiere, was ihr wichtig sei. Frau M. war zunächst wie vor den Kopf gestoßen und verärgert, weil sie die Empfindung der Schwiegertochter nicht nachvollziehen konnte. Doch jetzt will sie wissen, wie sie am besten mit der Situation umgehen kann.

Die Perspektive des anderen berücksichtigen

Der erste Schritt, um einen guten Umgang mit der Situation zu finden, ist die Perspektive des anderen einzunehmen. Wir alle sind sehr empfindlich, was Kritik angeht, und das gilt insbesondere, wenn sie sich auf einen Bereich bezieht, der für uns sehr wichtig ist. Eltern wollen in der Erziehung ihrer Kinder ihr Bestes geben, machen sich Gedanken, sind aber auch immer wieder unsicher und zweifeln. Kritische Bemerkungen treffen da oft direkt ins Herz, und dann fällt es schwer, ruhig und sachlich zu bleiben und eine kritische Bemerkung nicht persönlich zu nehmen. Als Frau M. darüber nachdenkt, wie sie sich als junge Mutter gefühlt hat, fällt es ihr leichter zu verstehen, wie es jetzt der Schwiegertochter geht. Gleichzeitig erkennt sie auch, dass die Schwiegertochter vieles gut und richtig macht und viel leistet im Bemühen, sich um ihre Familie zu kümmern und gleichzeitig berufstätig zu sein. „Das habe ich ihr eigentlich noch nie gesagt“, sagt sie nachdenklich und nimmt sich vor, das nachzuholen.

Im Beratungsgespräch wird deutlich, dass es oft unterschiedliche Wertvorstellungen zwischen den Großeltern und den Eltern sind, die für Reibungspunkte sorgen. „Muss denn ein Dreijähriger schon ständig zu Kursen und Veranstaltungen geschleppt werden?“ meint sie kritisch. Das habe sie auch die Schwiegertochter gefragt. Doch die entgegnete, dass es ihr wichtig sei, dass ihre Kinder Anregungen bekämen und ihre natürliche Neugierde und Experimentierfreude gestärkt werden sollten. Aber Frau M. hat diese Antwort nicht gereicht. „Ja, vielleicht habe ich auch versucht, meiner Schwiegertochter gegenüber meine Sicht durchzusetzen.“ Zum Beispiel als sie dann einfach mal mit dem Kleinen nicht zu einem Termin gefahren sei.

Oft haben Großeltern und Eltern einen anderen Blick auf Kinder, deren Bedürfnisse und den richtigen Umgang damit. Jede Generation hat vom Zeitgeist geprägte Wertvorstellungen, die in die Erziehung der Kinder einfließen und die auch ein Ausdruck eigener Prioritäten sind. Häufig gibt es dabei aber kein klares richtig oder falsch, sondern es geht darum, die richtige Balance zu finden. Großeltern können dabei helfen, weil sie über Lebenserfahrung verfügen und durch ihre andere Sicht der Dinge Impulse geben können. Doch dieses Potential entfaltet sich nur dann, wenn Großeltern nicht stur auf ihrer Meinung beharren, sondern wertschätzend und offen in den Dialog mit den Eltern eintreten und auch bereit sind zu akzeptieren, wenn das Gegenüber einen anderen Weg einschlägt, als man selbst für richtig hält. Denn schließlich sind es die Eltern, die die Erziehungsverantwortung für ihre Kinder haben!

Den Blick auf die Beziehung richten

Für Frau M. wird diese Akzeptanz auch dadurch einfacher, dass ihr klar geworden ist, dass der gute Kontakt zu Sohn, Schwiegertochter und Enkeln für sie das Wichtigste ist und dass es ihr nicht darauf ankommt, sich in einer bestimmten Erziehungsfrage durchzusetzen. Es ist hilfreich, sich klar zu machen, was wichtig ist und ob es sich lohnt, ein Thema anzusprechen. Manche Dinge werden dann unwichtig. Aber bei manchen Themen spüren wir auch, dass es wichtig ist zu sagen, was uns bewegt. Frau M. tut sich damit nicht schwer, aber es gibt auch Großeltern, die sich nicht trauen. Sie haben Angst, dass die Beziehung leidet.

Die Art und Weise, wie wir etwas sagen, ist entscheidend dafür, wie unser Gegenüber auf das von uns Gesagte reagiert. Wenn wir bestimmte Regeln beherzigen, dann erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gespräch klärend und konstruktiv wirkt. Folgende Fragen helfen dabei:

1. Was stört mich genau?

Wichtig ist, von konkretem Verhalten in konkreten Situationen zu sprechen und Verallgemeinerungen zu vermeiden. Es kommt darauf an, beim Thema zu bleiben, vom „Hier und Jetzt“ zu sprechen und nicht auf „alte Hüte“ zurückzugreifen!

2. Welche Gefühle und Gedanken habe ich?

Sprechen Sie darüber, wie Sie die Situation empfinden und erleben und öffnen Sie sich so ihrem Gegenüber anstatt ihn anzugreifen. Ihr Gesprächspartner kann dann leichter nachvollziehen, warum ihnen das Thema so wichtig ist, und er kann sich leichter auf das Gespräch einlassen.

3. Was sind meine Änderungswünsche? Wie könnten gute Lösungen aussehen?

Dieser Schritt hilft, um eine lösungsorientierte Perspektive einzunehmen und konkrete Ideen zu entwickeln.

4. Wie könnte man das erreichen?

Hier geht es darum, gemeinsam das weitere Vorgehen zu besprechen und zu vereinbaren, was Jeder dazu beitragen kann.

Frau M. hat einen guten Weg gefunden, um mit ihrer Schwiegertochter und ihrem Sohn wieder ins Gespräch zu kommen. Es war wichtig, sich in die Perspektive ihrer Schwiegertochter zu versetzen und beim Ansprechen von Konfliktpunkten auch deren Gefühle mit in den Blick zu nehmen. Sie merkt, dass es ihr jetzt leichter fällt, abzuwägen, was ihr wirklich wichtig ist!