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Sant'Egidio:Wege des Friedens öffnen

Vertreter aus Religionen und Politik haben drei Tag über Wege aus Kriegen und Krisen gesprochen – und über das Dilemma von Friedensappellen angesichts russischer Aggression. Realpolitische Analysen neben prophetischen Appellen.
Die Schlusskundgebung des Internationalen Friedenstreffens fand am Brandenburger Tor in Berlin statt.
Datum:
23. Sept. 2023
Von:
Christoph Scholz

Der symbolische Gang erinnerte an den Fall der Berliner Mauer. Religionsvertreter aus aller Welt schritten in Berlin durch das Brandenburger Tor, um den Friedensgruß auszutauschen. Gleichsam ein utopischer Gegenentwurf zu einer Welt, die aus den Fugen zu geraten droht.

Beim Internationalen Friedenstreffen der christlichen Gemeinschaft Sant’Egidio unter dem Motto „Frieden wagen“ rangen in Berlin Repräsentanten aus Religion, Politik und Gesellschaft drei Tage in 20 Foren um Lösungen zu Fragen von Abrüstung, Klimawandel und Migration. Hauptthema war der russische Angriffskrieg auf die Ukraine.

Der Impuls für das regelmäßige Treffen der Gemeinschaft geht auf das Weltfriedensgebet zurück, zu dem Papst Johannes Paul II. 1986 erstmals Religionsführer aus aller Welt nach Assisi eingeladen hatte. Wie damals versammelten sich nun auch in Berlin die Vertreter der Religionen an verschiedenen Orten, um gemäß ihren Traditionen für den Frieden zu beten; die Juden trafen sich etwa am nahe gelegenen Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Dann tauschten sie auf dem Pariser Platz den Friedensgruß aus. So ergab sich ein buntes Bild des friedlichen Miteinanders von Würdenträgern.

Schüler von Gymnasien in Berlin nahmen teil

An der Begegnung nahmen Menschen aller Altersgruppen aus aller Welt teil, darunter auch viele Schüler von Berliner Gymnasien. Auf einer Großleinwand wurden Bilder vom Holocaust, dem Mauerbau, dem Ukrainekrieg, von Flüchtlingen, von Opfern von Hunger und Klimawandel eingespielt. Anschließend erhoben sich alle zu einer Schweigeminute für die Opfer von Terror und Gewalt. Dann wurde ein Berliner Friedensappell vorgetragen, den Religionsvertreter unterzeichneten. Für die katholische Kirche unterzeichnete Kardinal Walter Kasper, für die evangelische Kirche Bischof Heinrich Bedford-Strohm. Symbolisch wurden Kerzen entzündet und Plakate mit der Aufschrift „Frieden“ in die Luft gehalten.

Oft haben sie dort vermittelt, wo die Politik gescheitert ist oder nicht vorankam.

Frank-Walter Steinmeier

Die von Rom ausgehende Bewegung mit weltweit 60.000 Mitgliedern hat Jahrzehnte Erfahrung mit diplomatischen Bemühungen um Friedensschlüsse. Dank ihrer Vermittlung fand auch der Bürgerkrieg in Mosambik ein Ende. Diese Bemühungen würdigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Auftakt. „Oft haben sie dort vermittelt, wo die Politik gescheitert ist oder nicht vorankam“, lobte das Staatsoberhaupt die „international respektierte Instanz“.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nutze die Gelegenheit, um vor internationalem Publikum die Haltung der Bundesregierung zu erläutern: Die Hilfe für die Ukraine sei politisch erforderlich und friedensethisch geboten. Dabei dämpfte er Erwartungen auf einen raschen Frieden und warnte vor „Scheinlösungen“.

Papst: Frieden ist schwer, aber nicht unmöglich

Die Papstbotschaft, die vor dem Brandenburger Tor vorgetragen wurde, erschien eher prophetisch. Franziskus rief zu kühnen Schritten zum Frieden auf. „Der Realismus genügt nicht, die politischen Abwägungen genügen nicht, die bisherigen strategischen Aspekte genügen nicht, wir brauchen mehr, denn der Krieg dauert an. Wir brauchen die Kühnheit des Friedens!“ Die Gläubigen seien aufgefordert, „die Mauer des Unmöglichen zu überschreiten, die aus scheinbar unwiderlegbaren Argumenten und aus der Erinnerung an so viele Schmerzen und so große erlittene Verletzungen errichtet wurde. Es ist schwer, aber es ist nicht unmöglich“, so der Papst.