Rückblick:In großer Sorge um Demokratie

Im Vorwort zu Ihrem inzwischen achten Jahresrückblick vergleichen Sie die 20er Jahre des vorigen und des aktuellen Millenniums. Von „Goldenen Zwanzigern“ könne keine Rede sein, da wir gefühlt im Dauer-Krisenmodus stecken: Corona, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Angriff der Hamas auf Israel und Krieg im Gazastreifen. Wird Ihre Arbeit schwerer oder leichter?
Grundsätzlich gilt ja, je übler die Zeiten, desto fruchtbarer das Feld, auf dem die Karikatur, die Satire gedeiht. Ein Umstand, der einem mitunter Kopfschmerzen bereitet, profitiert man doch in gewisser Weise vom Unglück der Welt. Dazu fällt es zunehmend schwerer, sich dauernd in die Dunkelheit zu begeben, in sie hinabzusteigen und sie verantwortbar mit der Karikatur zu spiegeln. Da wünscht man sich schon mal, eine gewisse Zeit lang keine Nachrichten anzuschalten. Das geht bei meinem Beruf aber leider nicht.
In vielen Ihrer Karikaturen nehmen Sie das gespaltene Verhältnis unserer Gesellschaft zum Klimaschutz aufs Korn. Angesichts der Probleme scheint der Klimaschutz nicht mehr oberste Priorität zu haben. Tut Deutschland Ihrer Einschätzung nach zu wenig?
Mit Blick auf die dramatische Entwicklung des Klimawandels, tut, glaub ich, nicht nur Deutschland zu wenig! Gerade kam die Nachricht, dass weltweit ein erneuter Treibhausgasrekord zu verzeichnen ist. Gibt es auch Nachrichten und Tendenzen, die ein wenig Hoffnung machen, so sind wir es doch besonders den jüngeren Generationen schuldig, uns weit mehr zu engagieren, um einen lebensmöglichen und lebenswerten Planeten zu erhalten. Ich bin mittlerweile Dreifachopa, da spürt man die Verantwortung noch einmal besonders deutlich.
Ein weiteres Thema Ihrer Arbeiten war der wachsende Erfolg der AfD. 2024 könnte die Partei bei den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stärkste Kraft werden. Sorgen Sie sich um unsere Demokratie?
Ja. Das macht mir sogar große Sorgen. Es ist bedrückend, dass so viele Menschen offensichtlich den vermeintlich einfachen Lösungen folgen und dabei bereit sind, antidemokratische Tendenzen nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern gar damit zu sympathisieren. Wir alle sind gefragt, dem entgegenzutreten und eine Gesellschaftsordnung zu verteidigen, die wie keine andere Freiheit, Gleichberechtigung und Menschenwürde zu ihren Grundprinzipien zählt. Eine wesentliche Aufgabe auch meiner Arbeit als Karikaturist.
Der „Paulinus“ veröffentlicht wöchentlich eine Ihrer Karikaturen, oft zu kirchlichen Themen. Gibt es noch Interesse an Karikaturen zu religiösen Themen?
Es besteht noch ein einigermaßen stabiles Interesse an Karikaturen zu kirchlichen und religiösen Themen. Sie kommen zum Einsatz sowohl in Publikationen katholischer, als auch evangelischer Seite, ebenso in Bistumszeitungen wie dem „Paulinus“, in Gemeindebriefdiensten und in Buchform. Oft werden sie über mein Archiv auch direkt von Gemeinden und Pfarrbriefredaktionen angefragt. Aber auch in den tagespolitischen Medien, für die ich ja ebenfalls tätig bin, finden sie, wenn es thematisch passt, dann und wann Einzug. Grundsätzlich leben sie natürlich nicht losgelöst vom allgemeinen Trend eines Nachlassens kirchlicher und religiöser Bindung. Ich versuche mit meiner Arbeit aber, noch ein wenig dagegen zu halten.
Ist bei all den besorgniserregenden, ernsten Themen im Rückblick 2023 denn auch Platz für Humor, der doch auch ein Markenzeichen der Karikatur ist?
Ja, es ist ja nicht alles finster. Auch in dieser Zeit haben Schmunzeln, Spaß und Lacher ihren Platz. Kapriolen und Verrenkungen in der Politik gehören da ebenso dazu wie rutschige internationale Parketts, die im Buch vorkommen.
Gibt es ein Thema, dem Sie sich im nächsten Jahr gern intensiver widmen würden?
Oh ja, da gibt es einiges, das ich 2024 karikieren möchte: den Kriegsgerichtsprozess gegen Wladimir Putin, den Rückgang des CO 2-Ausstoßes, eine Hand-in-Hand arbeitende Koalition, die vergeigte Präsidentschaftskandidatur Donald Trumps, die Friedensinitiative für den nahen Osten und die Heilung gesellschaftliche Brüche. Zum Beispiel.
Das würde meine Arbeit – siehe Frage eins – zwar etwas erschweren, aber es wäre mir diese schwierigere Arbeit unbedingt wert!
Welche Ihrer Arbeiten ist denn Ihre persönliche Karikatur des Jahres und warum?
Da kann und will ich mich nicht festlegen. Am besten wählt jede Leserin und jeder Leser seinen ganz persönlichen Favoriten.