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Neue Wege:Gegen Stress und Steifheit

Im fränkischen Schwabach krempeln Katholiken seit einem Jahr den Gottesdienst um. In der Pfarrei Sankt Sebald sollen sich auch kirchenferne Menschen willkommen fühlen. Dazu sprach Christopher Beschnitt von der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit der Pfarrgemeinderatsvorsitzenden Silke Bienert.
Mit frischem Wind will Silke Bienert in der Pfarrei St. Sebald schon bald auch kirchenferne Menschen in der Gemeinde willkommen heißen
Datum:
24. Aug. 2023
Von:
Christopher Beschnitt/KNA

Frau Bienert, darf man ohne Lächeln in die Kirche gehen?

Natürlich. Jeder soll so in die Kirche gehen, wie es ihm gerade geht. Das ist manchmal mit strahlendem Lächeln, manchmal ganz ernst und manchmal sehr traurig.

Die Frage hängt mit einer Kritik des Eichstätter Bischofs Gregor Maria Hanke zusammen. Er hat an die Gläubigen seiner Diözese, zu der auch Schwabach zählt, appelliert, mehr Frohsinn zu zeigen. Im kirchlichen Leben sehe man wenig Freude auf den Gesichtern der Menschen. Hat er recht?

Es stimmt, das Kirchenleben ist oft eine ernste Angelegenheit.

Warum?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Einmal die Tradition. Viele ältere Leute haben den Gottesdienst über Jahrzehnte hinweg nie anders als getragen erlebt. Zweitens muss ich mich als Gläubige immer wieder rechtfertigen, weil die Kirche leider für so viele Negativschlagzeilen sorgt. Dadurch entsteht eine Schwere. Schließlich sehe ich bei Menschen, die nur selten in den Gottesdienst kommen, zum Beispiel zu einer Hochzeit, viel Unsicherheit.

Welcher Art?

Sie wissen nicht genau, wie sie sich verhalten sollen, was die Gemeinde sagt und singt, und was da eigentlich am Altar passiert. Ich kenne das von mir selber: Ich bin zwar katholisch aufgewachsen, habe aber erst seit ein paar Jahren eine enge Bindung zum Glauben. Früher war ich ab und zu mal in der Messe – und hab mich nie in die erste Reihe gesetzt. Denn ich wollte immer jemanden vor mir haben, um zu sehen, wann man sitzt, kniet und aufsteht. Dieser Gedanke „Hilfe, ich könnte was falsch machen“, der stresst und versteift natürlich. Ein Gottesdienst sollte aber Kraft geben.

Wir wollen zeigen: Jedem kann Gott im Alltag begegnen. 

Was tun Sie gegen Stress und Steifheit?

In der Pfarrei Sankt Sebald haben wir uns vorgenommen, Gottesdienste möglichst einladend zu gestalten. „Herrlich Sebald“ heißt das Projekt. Herrlich bedeutet laut Wörterbuch „nicht besser und schöner zu denken“. Genau das ist doch unser Glaube. Genau so soll doch Gottesdienst sein. Außerdem steckt noch der Herr in herrlich, und das Wort ist nur einen Buchstaben von herzlich weg. Das finde ich schön. Herrlich – das ist, wenn ich mich glücklich und zufrieden in den Strandkorb fallen lasse und mich einfach übers Dasein freue. Ich spüre die Weite und bin zugleich geborgen. Dieses Gefühl wollen wir im Gottesdienst vermitteln.

Aber wie?

Bei uns steht an jedem zweiten Sonntag zur Messe jemand an der Kirchentür und begrüßt die Menschen. Während des Gottesdienstes strahlen wir dann Ablauf-Infos, Gemeindeantworten und Liedtexte per Beamer an die Wand. Damit jeder weiß, was wann dran ist, und damit alle mitsingen statt bleierne Mienen zu zeigen. Zudem gibt ein Gemeindemitglied immer kurze Erklärungen zu wesentlichen Aspekten wie der Gabenbereitung. Und nach dem Gottesdienst bauen wir Stehtische mit Getränken und Knabberzeug auf, um ins Gespräch zu kommen. Ach so: Wir haben ja auch noch das Zeugnisgeben eingeführt.

Zeugnisgeben?

Immer mal wieder berichtet ein Gemeindemitglied von seiner Gotteserfahrung.

Kann da nicht ein Unwohlsein bei Menschen ohne solches Erlebnis entstehen?

Ja, Zeugnis klingt so nach „Wow“ und Knalleffekten. Wir wollen aber niemanden mit Donnerschlag-Geschichten beeindrucken. Wir wollen zeigen: Jedem kann Gott im Alltag begegnen. Zum Beispiel hat letztens eine Frau erzählt, wie sie sich mit ihrer Familie zum Essen treffen sollte, obwohl sie mit einem Verwandten zerstritten war. Dann hat sie gebetet. Und daraufhin spürte sie, wie sich in ihr ein Kloß gelöst hat. Sie konnte sich zu den anderen an den Tisch setzen und wieder mit ihnen reden. Gott ist eben eher kein Donnerschlag. Gott ist, was ich ihn machen lasse.

Ich spüre: Jesus sieht mich, Jesus liebt mich, wie ich bin – nicht für meine Arbeit.

Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee der Willkommenskultur?

Ich war in einer Krise, als mir mein Vater eine katholische Gesprächsgruppe empfahl. Dort bin ich hingegangen – und habe zu meinem Erstaunen entdeckt, dass unter dem Titel „katholisch“ tatsächlich Sachen stattfinden, die mir helfen, mich sogar begeistern. Ich habe mich willkommen gefühlt. Bis dahin kannte ich von Gläubigen oft diese Schwere, die unser Bischof kritisiert hat. Plötzlich war ich also im Kirchenfieber. Später habe ich Kontakt zu meiner Pfarrei gesucht und dort tolle Menschen gefunden, seither engagiere ich mich da. Ich bin einfach so: Wenn mich was Positives gepackt hat, will ich meine Freude weitergeben.

Wie sind die Reaktionen auf Ihr Projekt?

Größtenteils positiv. Ja, es gibt Leute, denen ist schon die Begrüßung zu viel. Mancher mag halt keine Veränderung. Aber: Wir machen das jetzt seit einem Jahr und haben heute vielleicht ein Dutzend Gottesdienstbesucher mehr als früher. Außerdem strahlt unsere Herzlichkeit und Gottgewissheit hoffentlich anderswo weiter – über Menschen, die sie bei uns erlebt haben und nun forttragen. So könnten auch Menschen erreicht werden, die keinen Gottesdienst besuchen.

Warum wollen Sie das?

Ich habe mich schon aus mehreren Krisen herausgekämpft. Heute weiß ich: Dabei hatte ich Hilfe. Mir wurden immer wieder Menschen zur Seite gestellt, die mir nicht – schnipp – meine Probleme gelöst haben. Aber die mir Zuversicht vermittelt haben, gerade in der Gemeinschaft mit Gläubigen. Ich denke, das verdanke ich Jesus Christus, den es wirklich gibt. Ich spüre: Jesus sieht mich, Jesus liebt mich, wie ich bin – nicht für meine Arbeit. Diese Erkenntnis war sehr wichtig, als ich wegen eines Bandscheibenvorfalls monatelang flachlag. Nun – ich möchte, dass alle Menschen erleben können, wie es ist, gesehen und geliebt zu werden.