Hildegard von Bingen:Eine faszinierende Frauenfigur
„Für mich ist Hildegard von Bingen die zentrale Frauenfigur des frühen Mittelalters“ bekräftigt Andreas J. (Johannes) Schulte, Schriftsteller und Kurzgeschichtenerzähler aus Andernach am Rhein. Eine Meinung, die er offensichtlich mit Vielen teilt: Schulen sind nach der adligen Klosterfrau benannt, der Büchermarkt hält viele Diäten, Ernährungsratgeber, Kochbücher oder Kräuterlexika bereit und dokumentiert, welch bedeutende Frau da im 12. Jahrhundert lebte.
Spiritualität und Durchsetzungsvermögen
Faszinierend findet Andreas J. Schulte „ihre Spiritualität und wie sie es geschafft hat, sich in einer männerdominierten Gesellschaft durchzusetzen und zu behaupten“. Vier Monate lang arbeitete Schulte an dem historischen Kriminalroman „Hildegard von Bingen und das Siegel des Königs“ (Emons Verlag, 2023). „Mir ging es nicht darum, Hildegard jetzt auch noch als Detektivin darzustellen, die Mordfälle aufklärt.“ Deshalb habe er ihr die junge Novizin Elisabeth zur Seite gestellt, die schließlich ihre Magistra Hildegard vor Schlimmerem bewahrt, als diese unter Mordverdacht gerät.
Als mein Verlag mich fragte, ob ich nicht mal was über Hildegard von Bingen schreiben möchte, habe ich sofort ja gesagt.
Andreas Schulte
Die Handlung spielt im Spätsommer des Jahres 1151: Hildegard von Bingen reist vom gerade im Aufbau befindlichen Kloster Rupertsberg in ihr ehemaliges Kloster Disibodenberg. Dort soll sie auch auf Wunsch des Trierer Erzbischofs Albero bei Verhandlungen um die Thronfolge dabei sein. In der Folge stirbt plötzlich ein Delegationsmitglied. Ein Giftanschlag, da ist sich Hildegard sicher. Mit ihren medizinischen Kenntnissen versucht sie dem Täter auf die Spur zu kommen, gerät dabei aber selbst unter Mordverdacht. An der jungen Novizin Elisabeth liegt es jetzt, die Unschuld ihrer Äbtissin zu beweisen und die Tat aufzuklären.
Der 57-jährige Autor hat für seinen Kriminalroman mehrere Biografien gelesen. Viele der Romanfiguren wie Abt Kuno, dessen Berater Pater Herbrandt, die Erzbischöfe von Trier und Mainz haben wirklich gelebt. Auch der Streit um die Thronfolge, aus der der später bekannte Friedrich Barbarossa als Sieger hervorging, sind historisch belegt. Neben den Biografien aber gab es auch einen Kriminalroman, der Schulte mit inspirierte: „Der Fall Hildegard von Bingen“, geschrieben von Edgar Noske.
Die Welt des 12. Jahrhunderts
Das frühe Mittelalter habe ihn schon immer interessiert, schwärmt Schulte: „Und als mein Verlag mich fragte, ob ich nicht mal was über Hildegard von Bingen schreiben möchte, habe ich sofort ja gesagt.“ Schließlich hätten sich die Lebensumstände zwischen dem 12. und 15.Jahrhundert nicht groß unterschieden „und so konnte ich vieles von meinem ersten historischen Kriminalroman ‚Die Toten des Meisters‘ wieder als Grundlage nehmen.“
Er habe großen Wert darauf gelegt, seinen Lesern die Welt des 12. Jahrhunderts so anschaulich wie möglich zu beschreiben: der Umzug der jungen Ordensgemeinschaft vom Disibodenberg auf den Rupertsberg, die Auseinandersetzung um die Mitgift der Nonnen, die der Abt Kuno auf dem Disibodenberg gerne behalten hätte (schließlich ging es nicht nur um Geld, sondern auch um Sägemühlen, Ländereien, ganze Dörfer) oder die Thronfolgestreitigkeiten nach dem Tod Konrads III. Die Handlung selbst sei aber frei erfunden.
Ob denn schon ein Folgeroman geplant sei, will ich am Ende des Gespräches von dem Autor noch wissen. Andreas Schulte lacht: „Eventuell ja, das hängt aber davon ab, wie der Roman ankommt und wie er sich verkauft!“