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Zuhören ist Zuneigung

Eine Liebesbeziehung, die sich einmal voller Hoffnung auf den gemeinsamen Weg gemacht hat, braucht auch Ruhepausen. Die „Paulinus“-Lebensberatung beschäftigt sich mit dem Thema „Oasen in der Partnerschaft“.
Gemeinsam und doch einsam? Selbst in guten, langjährigen Beziehungen kann es plötzlich „Durststrecken“ geben.
Datum:
6. Mai 2018
Von:
Stanislaus Klemm

In manchen Gegenden Deutschlands gibt es den Brauch, einem frisch verheirateten Paar einen Laib Brot und eine Schale Salz vor die Tür zu stellen, verbunden mit dem Wunsch, dass es den Beiden künftig an nichts fehlen möge. Das Brot steht für das Notwendige wie: Nahrung, Kleidung, Wohnung, Liebe, Vertrauen, Ehrlichkeit, Sicherheit. Das Salz könnte dann eher für das „Ungewöhnliche“, „Außergewöhnliche“ stehen, wie etwa: Neugierde, Humor, Entspannung und Leidenschaft.

Das Salz stünde für all das, was mehr ist als bloßes „Überleben“. Vor allem in den Zeiten der gegenseitigen Gewöhnung, im „grauen Alltag“ und in Krisen wird die Kraft dieses „Salzes“ die Suppe der Alltäglichkeit würzen.

Hör mir einfach einmal zu

In der Beratungsarbeit kommt es nicht selten vor, dass die Ratsuchenden sich für den Gesprächskontakt ganz herzlich bedanken. Bei näherer Rückfrage, was ihnen denn da genau im Gespräch geholfen habe, kommt sehr häufig eine verblüffende Antwort. Nicht: „Ihr guter Ratschlag, die befreiende Sicht der Dinge, die Tipps“, sondern: „Es hat mir gut getan, dass jemand mir einfach einmal zugehört hat.“ Dieses „einfach nur zuhören“ ist alles andere als „einfach“, es ist in der Tat etwas äußerst Schwieriges, was man lernen muss, es ist eine kostbare Oase im täglichen Miteinander. „Hören“, das kann man mit den Ohren, „Zuhören“ ist allerdings eine Haltung, für die man sein Herz braucht! Zuhören heißt: sich dem anderen zuneigen, ihn annehmen. Das, was man von ihm hört, ernst nehmen, in Stille darüber nachdenken und verarbeiten. Im Zuhören wird ein „Dazugehören“ geschaffen, ein Gefühl, das die Einsamkeit überwindet.

Gewöhnung, der alltägliche Stress, Vergesslichkeit und Bequemlichkeit sind für die Bezie-hung Etappen einer wahren Durststrecke. So wie eine Oase für den, der eine Wüste durchquert, einen erfrischenden und lebensrettenden Schluck Wasser bereit hält, so ist in einer Partnerschaft das Erlebnis körperlicher Nähe, den anderen mit allen Sinnen zu spüren, die schönste Erfrischung. Viele Paare haben leider das Gefühl, nur noch nebeneinander her zu leben, eine Distanz zu spüren; sie hungern und dürsten danach, wieder einmal spontan in den Arm genommen und liebevoll ans Herz gedrückt zu werden. Oder einfach nur zu kuscheln, zärtlich zu sein, miteinander zu lachen und zu plaudern.

Auch alleine überlebensfähig bleiben

„Ich weiß nicht, was mit unserer Ehe los ist, obwohl wir ,unheimlich‘ viel zusammen machen!“ In diesem Satz, den jede Eheberaterin, jeder Eheberater zur Genüge kennt, steckt bereits die Antwort, nämlich der Ausdruck „unheimlich“. Hier vermisst man jegliche Balance zwischen dem „Wir“ und dem „Ich“, die in jeder Beziehung absolut notwendig ist. Es ist das Gleichgewicht zwischen den gemeinsamen und den eigenen Bedürfnissen. Die unterschiedlichen Fähigkeiten und Talente von beiden dürfen nicht verkümmern in einem gemeinsamen Einerlei. Es belebt die Partnerschaft, sich selber zu behaupten und seine eigene Meinung zu vertreten. Für viele Paare wäre es wieder so etwas wie eine Oase, in der sie dann die wichtige Bestätigung fänden, auch einmal alleine zufrieden sein zu können, nicht alles immer nur von der Partnerin, vom Partner zu erhoffen oder einzuklagen und letzten Endes auch alleine überlebensfähig zu bleiben.

Gerade in den schmerzlichen Erlebnissen, die es wohl in jeder Partnerschaft geben wird, könnten Paare sich wieder an den Tag erinnern, an dem sie sich vor „Gottes Angesicht“ getroffen haben, um sich ihre gemeinsame Liebe segnen zu lassen, sie unter seinen Schutz zu stellen, nicht nur in „guten, auch an bösen Tagen“. Dann könnten sie die Erfahrung machen, in dieser Erinnerung jemanden zu erleben, der sie nicht im Stich lässt. Er wird sie als ihr liebender Gott wieder stärken, aufrichten. Es gehört zur Oase Gottes, dass er uns nie verlässt, auch dann nicht, wenn wir innerlich „verdursten“. Er wird dann ganz sicher bei uns sein.

Wir kennen vielleicht das Wort des Philosophen Friedrich Nietzsche, der einmal eine Frau sprechen lässt: „Zwar brach ich die Ehe, doch zuvor brach die Ehe mich!“ Hier soll ein Licht auf das geworfen werden, was Menschen so tief verletzen kann, dass sie ebenfalls mit Verletzung reagieren. Wir können hier an ein ganzes Bündel von Erfahrungen denken, die letztlich eine Partnerin, einen Partner die Treue brechen lassen können, ein Signal, das dann in der Regel das Auseinanderbrechen ankündigt. Mangelnde oder zermürbende Kommunikation, Vernachlässigung, Interesse-, Lieblosigkeiten, Kränkung und Zurückweisung, körperliche Gewalt, eine Suchtentwicklung, seelische Tyrannei – das sind dann alles nur noch Faktoren, das Ende zu beschleunigen. Und genau hier kommt als letzter Silberstreifen am Horizont der von einem oder von beiden Partnern geäußerte Wunsch nach einer „Auszeit“, nach Abstand, nach einer vorläufigen Trennung ins Spiel, um nicht den allerletzten Rest zu zerstören. Es ist die Chance, irgendwann nach dieser Auszeit wieder neu miteinander beginnen zu können. Entscheidend ist aber, wie ich mich während der Trennung verhalte. Keine beleidigte Abkapselung! Es ist notwendig, ehrlich und aufrichtig seinen eigenen Anteil an der gemeinsamen Trennungsgeschichte zu bedenken und aufzuarbeiten. Eine Beratungsstelle kann hier helfen.