Kleinblittersdorf. Judas, der Verräter, der aus Geldgier Jesus verraten hat. Judas, der Verzweifelte, der in Jesus etwas gefunden hat, wonach seine Seele suchte, und der sich enttäuscht sah, weil Jesus die Römer nicht mit dem Schwert vertreiben wollte. Judas, ein notwendiges Werkzeug zur Erfüllung der Botschaft? Wer war dieser Judas?
„Seit zweitausend Jahren versucht die Menschheit, mich zu begreifen, und ich kann euch versichern: Sie hat es nicht geschafft“, sagt Judas auf der Bühne. Dargestellt wird er von Sebastian Wagner in einer Inszenierung der Junge Bühne Auersmacher unter der Regie von Josef Lang und Andreas Bossi. Eine Stunde lang nimmt der Schauspieler das Publikum mit zu allen Facetten von Judas’ Gedanken- und Gefühlswelt. Ist jedem bewusst, dass dieser Judas auch Mensch ist? Einer, der heute als „Ikone des Verrats“ steht. „Ich habe das zugelassen“, verzweifelt Judas auf der Bühne.
In Episoden schildert Judas, wie er Jesus begegnet ist, ihn erlebt hat. Aber „sind die Geschichten wahr, wenn keiner sie bezeugen kann?“. Und er fragt, ob er selber und die, die ihm gefolgt sind, Jesus wirklich verstanden haben. „Er hat uns Geschenke gemacht, die wir nicht öffneten, weil wir die Verpackung so schön fanden.“
Lebendigkeit mit großer Intensität
Zweifel sind ein Motiv, das sich wie ein roter Faden durch den Abend zieht. „Ich habe Schuld auf mich geladen, und ich habe die Schuld auf mich genommen.“ Judas hat sich selbst gerichtet. Und zugleich sinniert er darüber, ob Jesus ihm vergeben hätte, „oder war seine Barmherzigkeit bei mir erschöpft?“. Judas hat gehandelt, trotz seiner Zweifel („Ich wollte nicht, dass er stirbt“). Was aber, wenn er nicht gehandelt hätte?
Die Person des Judas in seiner Vielfältigkeit, die Sichtweisen, mit denen er sein Handeln erklärt, und auch der ein oder andere neue Aspekt, den ich mitgenommen habe.
Eine Besucherin
Sebastian Wagner verleiht diesem Judas mit all seinen Facetten eine atemberaubende Lebendigkeit in großer Intensität. Er setze sich schon länger mit diesem Menschen auseinander, spielt dessen Rolle auch bei den traditionsreichen Auersmacher Passionsspielen (die Vorbereitungen für 2025 laufen bereits). Die Themen, um die es dabei geht, „sind aktueller denn je“, sagt Wagner.
Die Vorlage für das Ein-Personen-Stück stammt aus der Feder der niederländischen Dramatikerin Lot Vekemans. Vielleicht macht auch das diesen „Judas“ so besonders. „Ich glaube, eine Frau kann sich da eher rein denken“, meint Josef Lang, unter dessen Regie die Aufführung steht. Für Lang ist es ein Anliegen, Judas auch von anderen Seiten zu beleuchten und „als Mensch darzustellen“.
Das Publikum ist nicht nur von der schauspielerischen Leistung angetan. „Die Person des Judas in seiner Vielfältigkeit, die Sichtweisen, mit denen er sein Handeln erklärt, und auch der ein oder andere neue Aspekt, den ich mitgenommen habe“, lobt eine Besucherin. Sie fasst zusammen, was in Gesprächen ziemlich einhellig als Reaktion geäußert wurde.