Karneval:Regeln, die Kinder schützen
Eine Handykamera unter den Rock eines Tanzmariechens halten? Das geht gar nicht. Mädchen und Jungen wollen und sollen im Karneval respektvoll behandelt werden. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Ursula Enders hat das keine Ruhe gelassen. Sie ist Mitgründerin des Kölner Vereins Zartbitter, einer Fachberatungsstelle gegen Missbrauch. Um grundsätzliche Verhaltensweisen im Karneval verbindlich zu machen, startete sie mit ihrem Team das Projekt „Pänzrechte-Pass“, was im Kölner Dialekt „Kinderrechte-Pass“ heißt.
Viele schlechte Erfahrungen gesammelt
Zusammen mit Kindern und Jugendlichen aus Tanzgarden und Karnevalsvereinen stellte Zartbitter 30 Verhaltensregeln auf. Sie sollen für die Einhaltung von Kinderrechten in der närrischen Zeit sorgen.
Dabei sei von Anfang an klar gewesen: Wir wollen die Meinungen junger Menschen einfließen lassen, so Enders. Im ersten Schritt gaben Karnevalisten von sechs bis 18 Jahren Anregungen, was für einen nachwuchsgerechten Karneval nötig ist. Dazu gehört auch, dass es nicht nur einen Prinzen im Dreigestirn gibt, sondern auch eine Karnevalsprinzessin.
Die sind fast geplatzt zu erzählen, was sie schon alles an Gewalt erlebt haben.
Ursula Enders
Schon bei den ersten Gesprächen merkte Enders, dass viele Kinder und Jugendliche von schlechten Erfahrungen berichteten: „Die sind fast geplatzt zu erzählen, was sie schon alles an Gewalt erlebt haben.“ Zartbitter habe die wichtigsten Punkte zusammengefasst. Am häufigsten sei das Thema „Stopp, das ist sexuelle Belästigung und strafbar“ behandelt worden. Oder auch die Regel „Alle können selbst bestimmen, wen sie mögen“. Die Diplompädagogin: „Da war dann das Queer-Thema sehr wichtig.“ Eine lange Diskussion habe es über Alkoholkonsum gegeben. Das Fazit der jungen Menschen: Manche Besoffenen sind doof und eklig.
All das hat Eingang gefunden in das Regelwerk. Der Pass warnt auch davor, Leute ungefragt zu küssen. Zudem wirbt er dafür, Hilfe zu holen, wenn man Gewalt an Kindern beobachtet. So reihen sich Wünsche, Anregungen und Ermahnungen im „Pänzrechte-Pass“ aneinander. Damit sie in der aktuellen Session auch eingehalten werden, habe man das Festkomitee Kölner Karneval mit ins Boot geholt. Dessen Vizepräsidentin Christine Flock erklärt: „Wir haben die Pässe an alle Kinder unserer Vereine verteilt und zudem die jeweiligen Gruppenleiter informiert und sensibilisiert.“ Zum Komitee gehören 140 Vereine und 30 Jugendtanzgruppen.
Die Öffentlichkeit über den Schutz informiert
Das Komitee hat nicht nur bei der Umsetzung und Gestaltung des Passes geholfen, sondern auch eine Online-Beschwerdestelle für Gewalterfahrungen im Karneval eingerichtet. Daneben bietet sich auch Zartbitter als unabhängiger Ansprechpartner an. „Mir war wichtig, dass es im Karneval nicht läuft wie in der katholischen Kirche. Da heißt es bei Missbrauch, dass man sich bei der Kirche selbst melden soll“, so Enders.
Der nächste wichtige Schritt sei nun die Information der Öffentlichkeit. So gebe es eine Ausstellung zu Kinderrechten im Karneval im Düsseldorfer Landtag. „Dafür haben wir extra eine überregionale Fassung des Pänzrechte-Passes erarbeitet. Die ist darauf ausgelegt, dass auch Fachberatungsstellen außerhalb Kölns sie nutzen können“, erklärt Enders. Außerdem sei der „Pänzrechte-Pass“ an Kölner Schulen gegangen. Weiteres Material werde im Internet vertrieben.
Die Aktion habe bislang enormen Zuspruch erfahren, so Enders. Das liege auch an der Umsetzbarkeit des Regelwerks. Kein Klaps auf den Po, das versteht schließlich jeder.