Glück ist etwas Kostbares
Wir wissen, Glück in unserem Leben ist etwas sehr Seltenes, Zerbrechliches und sehr Kostbares, weil es oft sehr flüchtig ist und sich schnell verändern kann. Es mit beiden Händen festzuhalten, um es ganz bewusst zu genießen, solange es einem beschieden ist, das würde man jedem von Herzen wünschen.
Der richtige Umgang mit diesem so fragilen Material kann man mit Vorsicht, Feingefühl, Achtsamkeit und Zärtlichkeit bezeichnen; sie sind auch jene menschlichen Verhaltensweisen, die sich im Zusammenleben in unseren Partnerschaften als hilfreich erweisen, um das zu erreichen, was wir Glück nennen.
Unser Glücksgefühl ist etwas sehr Flüchtiges und leicht Zerbrechliches, wenn wir es nicht achten oder beachten. Wie schnell, wie unerwartet kann es vorbei sein, noch bevor es angefangen hat. Wenn wir unser Glück nicht gleich beim Schopfe fassen, wenn wir es nicht mit beiden Händen festhalten und dann genießen können, wenn es da ist, dann kann es sehr schnell zerbrechen wie Glas.
Die folgende kleine Geschichte warnt uns eindringlich davor: Sie erzählt von einer armen Witwe, die ein Ei gefunden hat, vor Freude ihre Kinder zusammenruft, um vor ihnen zu phantasieren, was sie alles mit dem Ei vorhat. Das Gespräch endet damit, dass sie nicht aufpasst und das Ei ihr aus der Hand fällt und zerbricht. So wird es auch uns in unserer Partnerschaft passieren, wenn wir uns nur noch ergehen in Phantasien und Versprechungen, wie und wann wir in Zukunft etwas Schönes miteinander erleben wollen, möchten, werden. Morgen, übermorgen, im nächsten Sommer, im nächsten Urlaub, wenn ich in Rente bin ..., nur nicht heute, nur nicht jetzt.
Der Glanz menschlichen Glücks liegt aber im erfüllenden Augenblick. Marie von Ebner-Eschenbach sagte einmal: „Wer den Augenblick beherrscht, der beherrscht das Leben.“ Viele Menschen beschäftigen sich in ihrer Partnerschaft zu intensiv und zu oft nur noch um den „Schnee von gestern“ oder grübeln nur noch über das nach, was sie alles hätten tun können, tun sollen, machen sich zu viele Gedanken über das, was nicht gut war, was nicht so war, wie man es sich gewünscht hätte.
Wenn das Heute keinen Platz mehr hat
Das Gestern macht sich so breit, dass das Heute keinen Platz mehr hat. Umgekehrt gibt es viele Menschen, die einen großen Teil ihrer Lebensenergie nur noch an das Morgen verschwenden, ständig mit der Frage beschäftigt sind, wie sie am besten gegen alles Mögliche Vorsorge treffen können. Das Leben, nicht nur in der Partnerschaft, spielt sich aber in der Gegenwart ab, im Heute.
Für das Glück in der Partnerschaft ist eben nicht nur eine gewissenhafte Aufarbeitung der Vergangenheit oder die sorgfältige Planung einer gemeinsamen Zukunft wichtig. Maßgeblich für das Glück ist das Lächeln heute, die Aufmerksamkeit, die Zärtlichkeit jetzt, der gegenseitige Austausch spontaner und momentaner Gefühle, Ideen und Wünsche, die Notwendigkeit, den anderen jetzt in den Arm zu nehmen, heute für ihn da zu sein, Probleme heute anzugehen. Der Arzt und Psychotherapeut Matthias Jung wies einmal mit Fug und Recht darauf hin, dass es eigentlich nicht das tatsächliche Leben ist mit all seinen Problemen und Härten, das uns so belastet und quält, sondern es sei vielmehr das „nicht gelebte Leben“, das uns immer mehr depressiv mache.
Wir wissen, dass Glas meist genau an der Stelle zerbricht, wo bereits vorher eine kleinere Wunde durch Anritzen entstanden ist. Mir scheint, dass sich diese Erfahrung auch in unserem menschlichen Verhalten zeigen kann, wenn wir beim jähen Zerbrechen eines Glücks zu Tode erschrocken sind und uns fragen: „Ich habe doch nichts Schlimmes getan? Warum plötzlich das Aus? So wie Glas in der Regel an solchen Stellen zuerst zerbricht, die lange vorher durch viele kleinere Verletzungen vorbereitet wurden und dann beim kleinsten Stress zum Bruch führen, so erscheinen uns Situationen im partnerschaftlichen Zusammenleben. Keine großen Konflikte, keine offene Gewalt, kein böser Plan, keine gravierenden körperlich-seelischen Verletzungen führen plötzlich zum Aus einer Beziehung, es sind eher die vielen unspektakulären, vergangenen kleineren Lieblosigkeiten, die vielen kaum bemerkten und nicht miteinander besprochenen Interesselosigkeiten im täglichen Umgang, die dann plötzlich in einer vielleicht sonst harmlosen Stresssituation zum Bruch einer Beziehung führen.
Vor dem Scherbenhaufen einer Beziehung stehen
Beide Beteiligten sind dann zu Tode erschrocken und stehen plötzlich vor den Scherbenhaufen ihres Glücks. Die größte Gefahr geht wohl nicht von den zeitweiligen harten und offenen Streitigkeiten aus, sondern liegt in den versteckten jahrelangen Nörgeleien, in den vielen gedankenlosen „kleinen“ Lieblosigkeiten.
Wichtige Beziehungen erfordern wie beim Umgang mit Glas ein Feingefühl, ein Fingerspitzengefühl, und sie sind dort, wo sie wirklich gelingen, kein „wahrer Glücksfall“, sondern ein tägliches und ehrliches Bemühen, zum anderen aufmerksam und zärtlich zu sein, zärtlich zu bleiben. Bei unserer Glückssuche in Freundschaft, Partnerschaft und Familie zählt immer noch etwas, was Kurt Tucholsky so beschreibt: „Ein kleines bisschen Zärtlichkeit – und alles wäre gut.“