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Kritik an Strukturen:Gemeindereferentinnen klagen an

In einem Buch beklagen sich 30 Gemeinde- und Pastoralreferentinnen und -referenten über Machtmissbrauch in der Kirche.
Unter den Gemeinde- und Pastoralreferentinnen und -referenten brodelt es: das belegt das im Herder Verlag erschienene Buch „Machtmissbrauch im pastoralen Dienst. Erfahrungen von Gemeinde- und Pastoralreferent:innen“.
Datum:
12. Juli 2023
Von:
KNA

An einer bundesweiten Umfrage hätten sich 936 Männer und Frauen beteiligt, sagt Regina Nagel, Vorsitzende des Gemeindereferenten-Bundesverbands und Mit-Herausgeberin, im Interview des Portals katholisch.de: „Gut zwei Drittel davon benennen Erfahrungen mit Machtmissbrauch in der Kirche. Nach der Umfrage habe ich 30 Interviews geführt. Daraus stammen die erschütternden Beispielberichte im Buch.“

 Unter anderem gehe es dabei um cholerische Pfarrer, Mobbing in der Gemeinde und Missachtung arbeitsrechtlicher Standards, so Nagel weiter. Ihren Beruf könne sie eigentlich niemandem mehr guten Gewissens empfehlen. Zumindest sollten alle einen „Plan B“ haben, zum Beispiel über ein Zweitstudium oder eine Zusatzausbildung. Wichtig seien auch „eine professionellere Personalführung und ein konsequenter Einsatz von pastoralem Personal nach Kompetenzen, auch was Führung und Leitung anbelangt“.

In Kompetenzen behindert und ausgebremst

Als zentrales Problem von Nicht-Priestern in der Seelsorge nannte die Verbandsvorsitzende eine „strukturelle Zweitrangigkeit“. Viele Kolleginnen und Kollegen würden in ihren Kompetenzen behindert und ausgebremst. Typisch sei ein Beitrag einer Gemeindereferentin, die qualifiziert, engagiert und begeistert in den Seelsorgeberuf eingestiegen sei und nun sage: „Ohne Weihe bin ich immer eine ‚NUR‘.“ Im System katholische Kirche sei dies vor allem für Seelsorgerinnen ein Problem.

Für viele Kolleginnen und Kollegen ist das auf die Dauer nicht zufriedenstellend.

Regina Nagel

Hinzu komme, so Nagel weiter, dass man ohne Priesterweihe meist in der „zuarbeitenden Rolle“ bleibe. Zum Beispiel leite und organisiere man die komplette Vorbereitung zur Erstkommunion oder zur Firmung, doch bei der Feier selbst müsse man dann Priester und Bischof den Vortritt lassen: „Für viele Kolleginnen und Kollegen ist das auf die Dauer nicht zufriedenstellend.“ Hier sei das „ganze System unserer Kirche machtmissbräuchlich“, fügte Nagel hinzu: „Wenn zum Beispiel eine Gemeindereferentin genial predigen kann und der Pfarrer verbietet es ihr in der Eucharistiefeier, weil das Kirchenrecht sagt, dass Predigen ohne Weihe nicht geht, dann ist das kein Machtmissbrauch durch diesen Pfarrer, sondern es ist gedeckt durch eine machtmissbräuchliche Regelung des Systems.“ Wenn hingegen ein dienstvorgesetzter Pfarrer Mitarbeitende demütige, sie in ihren Kompetenzen oder auch ihrer Spiritualität nicht respektiere und eventuell sogar sexuell übergriffig werde, „dann missbraucht er seine Macht, denn solche Verhaltensweisen sind weder kirchen- noch arbeitsrechtlich legitimiert. Viele Befragte erzählen von solchen Erlebnissen.“

Eine andere Kollegin habe berichtet, dass ihr Chef sie gefragt habe, wann sie eigentlich zum letzten Mal bei der Beichte war – bei ihm sei sie ja schließlich nicht gewesen: „Das ist alles übergriffig, missbräuchlich und verstößt gegen Arbeits- und manchmal auch Menschenrechte.“

Info

Regina Nagel und Hubertus Lürbke: Machtmissbrauch im pastoralen Dienst. Erfahrungen von Gemeinde- und Pastoralreferent:innen, Herder-Verlag, 22 Euro.