75 Jahre Theologische Fakultät Trier:Einsteigen, nicht aussteigen

Seit Juli 2022 ist Carolin Neuber Professorin an der Theologischen Fakultät Trier. Dabei war längst nicht von Anfang an klar, dass ihr Weg sie einmal in die Theologie führen würde. Zunächst begann die gebürtige Donauwörtherin (Bayern) ein Lehramtsstudium für Mathematik und Physik. „Seit der neunten Klasse war es mein Traum, Physiklehrerin zu werden.“ Doch als beim Physikstudium in Augsburg dann die Mathematik dazukommt, merkt Carolin Neuber schnell, dass es vielleicht doch nicht der richtige Weg sein könnte. Da sie über die Katholische Hochschulgemeinde, in der sie sich engagiert, auch mit Menschen in Kontakt steht, die Theologie studieren oder schon in der Pastoral tätig sind, fällt ihre Wahl danach zunächst auf die Laufbahn zur Pastoralreferentin. „Ich dachte: ,Mensch, das wäre doch etwas für mich, da könnte ich sozusagen mein Hobby zum Beruf machen‘.“
Im Theologiestudium erkennt die richtige Person zur richtigen Zeit Neubers Potenzial und rät ihr, zu promovieren. „Das hat in mir gearbeitet, und nach einem halben Jahr dachte ich, dass das gar keine so schlechte Idee ist.“ Durch die Arbeit an der Universität merkt Neuber schnell: Arbeiten in Lehre und Forschung ist das, was sie machen möchte. Nach Zwischenstationen als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Katholischen Akademie Bayern, an der Universität Siegen (Nordrhein-Westfalen) sowie in Freiburg im Breisgau, wo sie ihre Habilitation ansiedelt, wird die heute 48-Jährige schließlich nach Trier berufen, erst als Lehrstuhlverwalterin, später dann als Professorin.
Tolles Kollegium und Miteinander
Als eine von zwei Professorinnen, genauer gesagt. „Ich finde es hier total schön, weil wir ein tolles Kollegium und ein tolles Miteinander haben“, erklärt sie und antwortet auf die Frage, wie es als Frau an der Fakultät ist: „Da fällt es eigentlich nicht so groß auf, ob ich Frau oder Mann bin.“ Sie finde es schade, dass ihre Rolle als Frau an der Fakultät überhaupt Thema des Gesprächs mit dem „Paulinus“ sein müsse. „Es sollte einfach klar sein, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Nur ist es halt leider nicht so.“ Daher nennt sie auch einen Nachteil, den der geringe Frauenanteil unter den Professoren haben kann: Hochschulen achten nämlich darauf, in Gremien für eine gewisse Gleichberechtigung zu sorgen. „Das bedeutet, wenn wir nur zwei Professorinnen haben, haben wir auch viel zu tun, weil in jedem Gremium möglichst eine Frau dabei sein soll. Bei den Männern verteilt sich die Arbeit etwas breiter.“
Es sollte einfach klar sein, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Nur ist es halt leider nicht so.
Prof. Dr. Carolin Neuber
Das sei aber nicht nur an der Theologischen Fakultät, sondern an allen Hochschulen der Fall. „Auf der einen Seite will man natürlich die Frauen beteiligen, aber auf der anderen Seite ist es eine Belastung für die wenigen, die es überhaupt gibt.“
Dennoch habe sich auch einiges zum Positiven gewandelt in den vergangenen Jahren. „Eine feministisch geprägte Theologie ist viel stärker ins Bewusstsein gekommen und wird viel breiter rezipiert.“ Es gebe dabei sowohl mehr Forschende, die sich der Thematik widmen, als auch die Forschung selbst sei breiter aufgestellt. „Spannenderweise gibt es inzwischen schon Maskulinitätsstudien, die schauen, wie die Bibel durch bestimmte Rollenstrukturen geprägt ist, die ihrerseits wie[1]der prägend sind, aber auch gebrochen werden.“
Rollenvorbilder für Studentinnen
Neuber selbst glaubt, dass sowohl sie als auch ihre Kollegin Annemarie Mayer Rollenvorbilder gerade für junge Studentinnen dafür sein können, welche vielfältigen Karrierewege man mit einem Theologiestudium einschlagen kann. „Und andererseits können wir gezielt fördern.“
Die Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen.
Prof. Dr. Carolin Neuber
Eine eigene Vorbildtheologin hat sie nicht. Aber: „Ich hatte das wahnsinnige Glück, dass mich drei ganz wunderbare Männer gefördert haben: mein Doktorvater, der Akademiedirektor und mein Chef in Freiburg. Aber ich glaube, das ist eher die Ausnahme. Viele andere Frauen in der Theologie berichten eher, dass Männer andere Männer fördern und Frauen nicht immer ganz ernstgenommen werden. Ich habe das zum Glück anders erlebt.“
Und wie sieht es mit einer Lieblingsfrau aus der Bibel aus? „Eine vergessene Prophetin: Deborah, die eine ganz starke Frau ist und uns einen wunderschönen Hymnus im Richterbuch hinterlassen hat. Ich mag besonders die Frauen, die kraftvoll tätig geworden sind.“
Berufstätigen Studium nebenbei ermöglichen
Für die Zukunft der Fakultät wünscht sich Carolin Neuber – neben der Möglichkeit, dass die Situation vor Ort einen Besuch mit ihren Studierenden im Heiligen Land erlaubt – auch digitale Lehre, „um zum Beispiel Berufstätigen zu ermöglichen, dass sie nebenbei studieren“. Zudem wünscht sie der Fakultät, „dass sie weiter so ein dynamischer Ort ist, an dem wir offen im Gespräch sind und intensive Diskussionen haben. Die Studierenden bringen immer wieder neue Fragen und Anregungen und wir gestalten dann zusammen einen Ort, an dem man mehr darüber lernen und darüber diskutieren kann.“
Für alle Frauen – und eigentlich auch Männer –, die überlegen, ob sie sich, zum Beispiel über ein Theologiestudium, aktiv in der Kirche einbringen sollen, hat Carolin Neuber einen Tipp: „Als ich noch Jugendliche war, habe ich mal eine Predigt gehört, deren Slogan hängengeblieben ist: ,Einsteigen, nicht aussteigen!‘ Damals ging es darum, dass man eben nicht aus der Kirche austreten, sondern sich einbringen soll. Das ist mir mein ganzes Leben lang schon ein Antrieb: An der Stelle, an der man ist, etwas voranbringen. Nicht aussteigen, auch wenn man das Gefühl hat, weltkirchlich geht alles viel zu langsam. Die Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen.“