Landtagswahlen :Besorgte Appelle
Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben Kirchen, Verbände und Fachleute mit Besorgnis auf die Ergebnisse und das Erstarken der Ränder reagiert.
„Unsere freie Gesellschaft darf nicht fallen, gerade im Angesicht des islamistischen Terrors“
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland
„Unsere freie Gesellschaft darf nicht fallen, gerade im Angesicht des islamistischen Terrors“, forderte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, in einem Gastkommentar für Bild.de. Immer mehr Menschen wählten die AfD aus politischer Überzeugung. Und ein populistisches BSW lasse zwar einstweilen Vieles im Ungefähren, „aber das, was wir von dieser neuen Partei und ihrem Spitzenpersonal wissen, lässt nichts Gutes erahnen“.
Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, erklärte, der Wahlausgang zeige, „dass die Saat populistischer und extremistischer Kräfte immer mehr aufgeht“. Es komme jetzt darauf an, demokratische Mehrheiten jenseits der AfD für Regierungsbündnisse zu nutzen. Mehr als 30 Prozent für die AfD in Sachsen und Thüringen seien „erschreckende Ergebnisse“, die ganz Deutschland beschäftigen müssten.
„Großes Bedürfnis nach Sicherheit“
Der Deutsche Caritasverband erklärte: „Wer genau hinhört, spürt ein großes Bedürfnis nach Sicherheit – gerade auch nach sozialer Sicherheit.“ Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa fügte hinzu: „Ein starker Sozialstaat, der verlässlich die Nöte der Menschen absichert, ist auf das Miteinander aller staatlichen Ebenen ebenso angewiesen wie auf das gute Miteinander von öffentlicher und Freier Wohlfahrtspflege.“ Sachsens Bischöfe riefen die Parteien auf, die Hoffnungen der Wähler ernst zu nehmen: „Der neu gewählte Landtag ist mit seinen sieben Parteien so bunt wie nie zuvor. Auch wenn die Ränder stärker geworden sind, spiegelt er die Vielfalt der sächsischen Gesellschaft wider“, so der katholische Bischof Heinrich Timmerevers und der evangelische Landesbischof Tobias Bilz.
Sie verwiesen auf die hohe Wahlbeteiligung von 74,4 Prozent. Das sei ein großes Interesse an politischer Mitbestimmung:
"Hinter den Prozentsätzen stehen Hoffnungen von Menschen."
Bischof Heinrich Timmerevers,Landesbischof Tobias Bilz
„Hinter den Prozentsätzen stehen Hoffnungen von Menschen. Hoffnungen, dass ihre Anliegen ernst genommen werden.“ Die Kirchen sicherten der sächsischen Politik ihre Unterstützung „mit unseren Möglichkeiten“ zu. Gleichzeitig erneuerten sie ihren Appell, „Menschenfeindlichkeit sowie extremistischem und nationalistischem Gedankengut keinen Platz in unserem Land zu geben.“
Der Leipziger Demokratie- und Populismusforscher Gert Pickel mahnte im KNA-Interview: „Man sollte nicht den Schluss ziehen, aus machtpolitischen Gründen doch mit der AfD kooperieren zu wollen, weil es eine demokratisch gewählte Partei ist. Das hat noch nie funktioniert.“ Auch sollten sich die etablierten demokratischen Parteien nicht auf das Feld der AfD ziehen lassen und rechten Themen folgen, sondern mit ihren Kompetenzen eigene setzen: „Man wird keine Wähler hinzugewinnen, wenn man selbst plötzlich eine härtere Migrationspolitik fährt. Man bestätigt nur, was die AfD dazu gesagt hat.“
Nicht allein durch Protestwahlen zu erklären
Der Tübinger Rechtsextremismus-Forscher Rolf Frankenberger sagte auf Anfrage: „Dass eine extrem rechte Partei, die gegen Fremde, Jüdinnen und Juden, Europa und alles, was nicht in ihr völkisches Weltbild passt, hetzt, zu einer ,Volkspartei‘ aufsteigt, kann nicht allein durch Protestwahlen erklärt werden.“ Dafür seien die „antidemokratischen Überzeugungen“ und die inhaltlichen Positionen der AfD „zu offensichtlich“.