Altersgerecht umbauen:„Wir kümmern uns lieber jetzt“

Melanie K. hat es miterlebt und darum anders gemacht. Nach dem Tod ihres Vaters ließ die 63-Jährige das Elternhaus altersgerecht umbauen – mit bodengleicher Dusche, größerem Bad und breiteren Türen. Sie hatte miterlebt, wie schwer sich ihr Vater im Rollstuhl tat, besonders im engen Bad. Zu lange hatte der 87-Jährige eine Wohnraumanpassung abgelehnt – bis es zu spät war.
Ein typischer Fall, wie Claudia Nelles von der Wohnberatung der Stadt Bonn berichtet. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Sabine Köppelmann berät sie jährlich rund 180 Menschen. „Die meisten kommen erst, wenn es dringend ist – etwa nach einem Schlaganfall“, sagt Nelles. Dann muss alles schnell gehen, was durch den Fachkräftemangel zusätzlich erschwert wird.
Eigentümer sollten früh aktiv werden
Christian Heerdt vom Kuratorium Deutsche Altershilfe rät besonders Eigentümerinnen und Eigentümern, frühzeitig aktiv zu werden. Anders als Mieter können sie ihre Immobilie selbst anpassen. Doch nur zwei bis drei Prozent der Wohnungen in Deutschland sind barrierefrei. Bestehende Häuser und Wohnungen weisen laut Heerdt einen „enormen Nachholbedarf“ auf. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft fehlen bis zu zwei Millionen barrierereduzierte Seniorenwohnungen.
Viele ältere Menschen wären durchaus bereit umzuziehen – wenn sie eine passende Wohnung fänden. Doch oft bleiben sie im eigenen Haus, weil Alternativen fehlen. „Viele Einfamilienhäuser sind mit ihren Bewohnern in die Jahre gekommen“, sagt Nelles. Bäder seien oft klein und unpraktisch, die klassische Aufteilung mit Bad und Schlafzimmer im Obergeschoss werde im Alter zur Hürde. Ideal sei eine ebenerdige Lösung mit allen wichtigen Räumen auf einer Etage.
Wohnen bedeutet Heimat, Erinnerung, Selbstständigkeit. Wer sich mit dem Alter beschäftigt, denkt an Verlust.
Christian Heerdt vom Kuratorium Deutsche Altershilfe
Im Fokus der Wohnberatung stehen barrierefreie Zugänge, sichere Bäder und Treppenlösungen. Ein häufiger Wunsch: die Umwandlung der Badewanne in eine bodengleiche Dusche. Solche Maßnahmen erfordern Zeit – allein für einen Badumbau sollte man drei Monate einplanen. Zwei Kostenvoranschläge sind Pflicht, was zusätzliche Zeit kostet.
Nicht erst die Krise abwarten
Warum zögern viele dennoch? „Weil es emotional ist“, sagt Heerdt. „Wohnen bedeutet Heimat, Erinnerung, Selbstständigkeit. Wer sich mit dem Alter beschäftigt, denkt an Verlust.“ Viele verdrängten das Thema, bis eine Krise sie zum Handeln zwinge. Dabei seien Komfort, Sicherheit und Selbstständigkeit im Alter entscheidend. „Man sollte nicht erst reagieren, wenn es zu spät ist.“
Gute Information und Beratung können helfen. Heerdt empfiehlt, frühzeitig zu planen: „Am besten, solange man noch gesund ist.“ Wer erst nach einem Krankenhausaufenthalt umbaut oder umzieht, steht unter Druck – mit weniger Auswahl und höherem Aufwand. Auch Nelles beobachtet: „Viele sagen: Ich bin doch bisher immer klargekommen. Aber irgendwann sollte man es nicht mehr ausblenden.“
Ein weiterer Hinderungsgrund sind die Kosten. Die Pflegekasse zahlt für pflegerelevante Umbauten maximal 4.180 Euro – unabhängig davon, wie viele Maßnahmen nötig sind. Wer etwa Bad und Treppenlift gleichzeitig anpassen will, muss meist zuzahlen. „Viele können sich das nicht leisten“, sagt Nelles. „Alles ist teurer geworden.“
Doch es gibt auch positive Entwicklungen: Immer mehr Menschen suchen die Wohnberatung vorsorglich auf. „Viele, die jetzt älter werden, haben ein anderes Bewusstsein und sagen: Wir kümmern uns lieber jetzt“, so Köppelmann. Ein Schritt, der helfen kann, das Zuhause auch im Alter zu bewahren.