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Militärseelsorger:„Warum ist Mama im Krieg?“

„Mama, Papa, was ist Krieg?“ – eine einfache Frage vieler Kinder. Für Eltern, die Soldaten sind, ist die Antwort schwer. Wie spricht man mit dem Kind über Angst, Tod und Verantwortung? Hauptmann Alex, Oberstabsfeldwebel Karl und Militärseelsorger Thomas Pinzer berichten von Erfahrungen – und warum Offenheit der wichtigste Weg ist.
Gottesdienstbesucher in Uniform bei einem Gottesdienst in einer Kapelle der Kaserne in Koblenz.
Datum:
14. Okt. 2025
Von:
Raphael Schlimbach-Quarrella

Seit Beginn des Ukrainekriegs beobachtet Pinzer, katholischer Priester und Seelsorger bei der Bundeswehr, eine wachsende Unruhe unter Soldaten. „Viele fragen sich, ob sie überhaupt wieder nach Hause kommen“, sagt er. Die Nervosität sei spürbar, doch die Routine im Dienst bleibe. „Ich frage mich manchmal, wie sie das aushalten – aber sie funktionieren. Mit einer Mischung aus Disziplin und innerer Stärke.“

Auslandseinsätze werfen zuhause Fragen auf

Alex bindet seine Familie bewusst in seinen Beruf ein. „Meine Kinder kennen das von klein auf. Wir sind eine Soldatenfamilie“, sagt er. Auslandseinsätze wie in Jordanien werfen Fragen auf: „Meine Kinder wollten wissen, was ich da unten mache.“ Er setzt auf Ehrlichkeit statt Beschönigung. „Schönreden bringt nichts. Kinder müssen verstehen, warum man etwas tut – und was passieren kann.“ Auch über den Tod müsse man sprechen, sagt er. „Das gehört zu meinem Beruf.“

Schönreden bringt nichts. Kinder müssen verstehen, warum man etwas tut – und was passieren kann.

Soldat

Pinzer plädiert ebenfalls für Offenheit. „Man muss Kindern klarmachen, dass Krieg schlimm ist. Aber auch, warum Eltern als Soldaten teilnehmen.“ Häufig höre er von Soldaten: „Damit mein Kind in einem freien Land aufwachsen kann.“ Diesen Wunsch nach Frieden und Freiheit könne man Kindern vermitteln – altersgerecht und ehrlich. „Kinder spüren, ob man ihnen etwas vormacht.“

Karl, seit 1999 bei der Bundeswehr und mehrfach im Einsatz, erklärt seinem Sohn den humanitären Sinn hinter dem Dienst: „Wir helfen Menschen, sich selbst zu helfen.“ Wichtig sei, individuell auf das Kind einzugehen. „Man muss spüren, was das Kind verkraftet. Und man muss bereit sein, auch unbequeme Fragen zu beantworten.“

Die Sorgen der Soldatenfamilien sind vielfältig. „Wer kümmert sich um meine Kinder, wenn ich in den Krieg muss? Wer bekommt das Sorgerecht, wenn mir etwas passiert?“ Manche äußern auch klare Ablehnung: „Ich will nicht in den Krieg und würde verweigern.“ Pinzer kennt diese Ängste aus vielen Gesprächen. „Es geht nicht nur um den Einsatz – sondern um das ganze Leben drumherum.“

„Und dann ging es plötzlich los“

Alex beschäftigt der Krieg im Osten: „Wir dachten immer, es passiert schon nichts. Und dann ging es plötzlich los.“ Seine Kinder sorgen sich weniger um ihn als um die Bilder aus dem Kriegsgebiet. „Sie spüren, dass Krieg etwas Bedrohliches ist – aber sie filtern die Angst um mich irgendwie weg.“ Trotzdem sei es wichtig, mit ihnen darüber zu sprechen. „Kinder brauchen das Gefühl, dass sie mit ihren Sorgen ernst genommen werden.“
Zur Unterstützung gibt es kindgerechte Broschüren wie „Lena und Mamas Auslandseinsatz“ oder „Sarahs Papa fährt zur See“, entwickelt mit dem Zentralinstitut für Ehe und Familie. Sie sollen Mut machen und Gespräche erleichtern. Zusätzlich stehen Seelsorger, Psychologen, Sozialdienste und der Sanitätsdienst bereit. „Niemand muss mit diesen Fragen allein bleiben“, sagt Pinzer.

Am Ende geht es um Vertrauen – und darum, Kindern zu zeigen, dass auch schwierige Themen Platz haben dürfen. „Wenn wir wollen, dass unsere Kinder in einer freien Gesellschaft leben, müssen wir ihnen auch zutrauen, diese Freiheit zu verstehen“, sagt Karl. Und manchmal beginnt das mit einer einfachen Frage: „Was ist Krieg?“

Hinweis: Die Namen der Soldaten wurden aus dienstlichen Gründen geändert.

Info

Internet-Ratgeber der Katholischen Militärseelsorge gibt es hier