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Sprachkurs:Mit Sprache in Kontakt kommen

„Mama lernt Deutsch“ will Geflüchteten einen niederschwelligen Zugang zur Sprache vermitteln.
Der Kurs von Dozentin Marina Dryzlova (hinten zweite von rechts) an der Familienbildungsstätte in Saarbrücken.
Datum:
28. Mai 2025
Von:
Sarah Schött

Saarbrücken. „Wie geht es Ihnen heute, wie ist das Wetter, und was haben Sie gestern gemacht?“ Mit diesen drei Fragen startet Marina Dryzlova ihren Kurs. Die 49-Jährige ist Dozentin bei der Familienbildungsstätte (FBS) Saarbrücken und leitet dort einen „Mama lernt Deutsch“-Kurs. Das vom saarländischen Ministerium für Bildung und Kultur geförderte Angebot heißt nun zwar offiziell „Niederschwelliger Deutsch-Kurs für Zuwanderer“, wird intern aber weiterhin „Mama lernt Deutsch“ genannt. 

Ursprünglich sieht das Konzept vor, dass eine Kinderbetreuung gewährleistet ist, während die Mütter Deutsch lernen. „Es ist eine gute Möglichkeit, dass Frauen, – mittlerweile auch Männer – Deutsch lernen können, wenn sie aufgrund von Kinderbetreuung keine andere Möglichkeit haben“, erklärt Nina Andres-Reindorf, Leiterin der FBS. 

Aktuell sei eine Kinderbetreuung allerdings nicht notwendig, da alle Kinder der Teilnehmenden über Kita-Plätze versorgt seien. Aber das Konzept hat einen weiteren Vorteil: „Man kann ganz ohne Eignungstest und größere Hürden teilnehmen“, informiert Andres-Reindorf. 

Auch die Enkelkinder lernen Deutsch

In der Regel kommen vor allem Frauen zu den Kursen. Was die Herkunftsländer angeht, ist die Zusammensetzung gemischt. Der aktuelle „Mama lernt Deutsch“-Kurs von Marina Dryzlova ist da allerdings eine kleine Ausnahme: Es nehmen nur Frauen aus der Ukraine teil, und die meisten haben bereits Enkelkinder. 

„Gestern hatten wir Gäste. Wir haben gespielt und gesprochen“, berichtet eine der Teilnehmerinnen. „Ich war erkältet und deshalb zu Hause“, sagt eine andere. 

Immer wieder wird zwischendurch auf Russisch gewechselt – denn Dozentin Dryzlova kommt aus St. Petersburg. „In der Generation sprechen eigentlich alle Ukrainer russisch“, erklärt sie.  Das macht die Verständigung und die Erklärungen zur ohnehin schon schwierigen deutschen Sprache zumindest etwas einfacher.

Die Angst vor Fehlern sitzt tief

„Ich lerne Deutsch, weil mein Enkel auch Deutsch lernt“, berichtet etwa Kursteilnehmerin Larysa. „Ich hoffe, dass ich irgendwann sehr gut spreche.“ Schwer, da sind sich alle acht Frauen einig, falle ihnen vor allem die Grammatik, für manche ist Hören deutlich einfacher als Sprechen. 

Das kennt Marina Dryzlova aus eigener Erfahrung. Sie hat in St. Petersburg Germanistik studiert und trotzdem: „Ich bin nach Deutschland gekommen, konnte aber keine zwei Sätze sprechen, keinen Kaffee bestellen, nichts. Ich konnte schriftlich übersetzen und lesen, aber nicht sprechen. Das kam durch das Leben.“ 

Eine weitere Besonderheit bei ihrer Lerngruppe ist das Alter der Teilnehmerinnen. „Die Menschen, die zu mir kommen, haben Schwierigkeiten damit, dass sie überhaupt eine Fremdsprache lernen müssen“, beschreibt Dryzlova die Ausgangssituation. 

Diese Menschen stehen ohnehin schon genug unter Druck. Wenn es keine Prüfung gibt, fühlen sie sich entspannter.

Dozentin Marina Dryzlova

Viele, die zunächst dachten, sie kämen nur für ein paar Monate nach Deutschland, hätten nicht erwartet, dass sie so lange bleiben und entsprechend die Sprache lernen müssen. Gerade Erwachsene hätten zudem Angst, Fehler zu machen. „Das sitzt richtig tief, und dann fällt es auch schwer, zu sprechen“, so Dryzlova, die neben Deutschkursen auch Englischkurse gibt.

Dass sie einmal Deutsch unterrichten würde, hätte die gelernte Übersetzerin sich nicht vorgestellt. „2022 habe ich überlegt, wie ich den Menschen, die hierherkommen, helfen kann, überhaupt in Deutschland klarzukommen. Und dann hat sich das entwickelt. Eine der ersten Fragen der Menschen war ,Wie kann ich mich bedanken?‘ Das war sehr berührend.“

Auch Dryzlova begrüßt, dass es sich bei „Mama lernt Deutsch“ um ein niederschwelliges Angebot handelt. „Diese Menschen stehen ohnehin schon genug unter Druck. Wenn es keine Prüfung gibt, fühlen sie sich entspannter.“
In der heutigen Stunde geht es unter anderem um den Einkauf und das Frühstück. In Partnerarbeit berichten sich die Frauen, was sie am Vortag alles eingekauft und was sie gefrühstückt haben. Im Anschluss stellen sie in der Gruppe den Frühstückstisch der jeweiligen Partnerin vor. 

Kulturvermittlung ist wichtig

Weiter geht es mit einem Stück deutschem Kulturgut. Es steht ein Video auf dem Programm: das Frühstücksei von Loriot. „Das Ei ist hart, genau viereinhalb Minuten“. Während sich die Eheleute im Video um die Kochzeit streiten, versuchen die Kursteilnehmerinnen so viel wie möglich zu verstehen und dann zusammenzufassen. Stück für Stück erarbeiten sie sich den Inhalt des Videos und lesen ihn schließlich anhand eines ausgeteilten Textes nochmal mit. 

„Ich versuche auch, deutsche Kultur zu vermitteln“, begründet Dryzlova, denn das gehöre dazu. Wichtig ist es ihr zufolge, dass die Teilnehmenden regelmäßig zum Kurs kommen, auch wenn sie vielleicht mal einen schlechten Tag oder keine Hausaufgaben haben. „Manchmal ist das hier für sie die einzige Möglichkeit, mit der deutschen Sprache in Kontakt zu kommen.“