Wandern:Kirche trifft Nationalpark


Die Schöpfungsverantwortung ist der Schnittpunkt: Kirche trifft Nationalpark. Deshalb gibt es in Neuhütten-Muhl die Nationalparkkirche St. Josef, am Kreuzpunkt von zwei ganz unterschiedlichen, in Form einer Acht verlaufenden „Wege zur Schöpfung“. Gemeindereferentin Gerlinde Paulus-Linn vom Pastoralen Raum Hermeskeil führt zuerst auf den rund 3,4 Kilometer langen kürzeren Weg, der teilweise parallel zum europäischen Kultur- und Pilgerweg St. Martinus verläuft. Sie zeigt auf eine alte Buche, deren unterer Ast wie eine Hand auf den Einstieg in den Pfad deutet. Was für ein origineller Einstieg!
Werden und Vergehen in der Natur erleben
„In der Natur, in der Schöpfung, erleben wir Werden und Vergehen, Tod und Leben“, sagt sie. Wo könnte dies besser erlebbar werden, als im Nationalpark Hunsrück-Hochwald: Hier darf der Mensch nicht eingreifen. Die Natur ist sich selbst überlassen. Auf den ersten Blick ist es erschreckend und traurig zu sehen, was der Klimawandel hier anrichtet: Wir blicken immer wieder auf viele, wie Skelette aufragende abgestorbene Fichten. Sie fallen extremer Trockenheit und dem Borkenkäfer zum Opfer – ein gespenstischer Anblick inmitten des üppigen Grüns ringsum. Aber wenn man genauer hinschaut, erkennt man überall Spuren des Neubeginns. Das Leben setzt sich immer wieder durch, denn das sogenannte „Totholz“ bietet Vögeln, Insekten, Pflanzen und jungen Bäumen ein Biotop, in dem es grünt und blüht und sich neues Leben entwickelt. Ein starkes Symbol aus der Natur!
In der Natur, in der Schöpfung, erleben wir Werden und Vergehen, Tod und Leben.
Gerlinde Paulus-Linn
Einfach zu gehender Weg Es gibt hier so viele Dinge zu entdecken, die sich prima mit dem eigenen Leben verbinden lassen. Dabei helfen entlang des schattigen, manchmal ein wenig ansteigenden Weges zehn schön gestaltete Holz-Stelen mit Bibeltexten, einer kurzen Ortsbeschreibung und einem Bezug zum Leben. So stehen zum Beispiel zwei hohe, miteinander verbundene Bäume für eine buchstäblich enge Verwurzelung bei gleichzeitiger Freiheit zum Wachsen. „Hier machen wir manchmal Impulse für Hochzeitspaare“, verrät Paulus-Linn. Das Wasser der Quelle des Hengstflosses ist ein anderes Beispiel. „Wasser ist Leben“, so die dazu gehörige Stele. Das hier geschöpfte Wasser kann sogar als Taufwasser für die Kirche verwendet werden. Dieser einfach zu gehende Weg ist ideal für alle, die nicht allzu weit gehen möchten und Zeit genug mitbringen, sich in der Natur auf ihre persönliche Themen zu besinnen.

Der zweite Weg ist anders. Er hat das Thema „Sinne“ als Motto und führt zu sechs Sinn-Orten. Start ist einige Hundert Meter südlich von der Nationalparkkirche. Am Einstieg steht ein von Firmlingen gefertigter, bemalter Holzrahmen: „Auch du bist ein Bild Gottes“. Ein Selfie der besonderen Art ist hier möglich! Der schmale Weg führt rund fünf Kilometer lang durch eine verwunschene grüne Idylle. Lärm von Menschen ist hier nicht zu hören, es ist vollkommen still. Was man aber hört: Vogel zwitschern, trockenes Laub auf dem Weg raschelt, Zweige knistern, ein kleiner Bach plätschert vor sich hin, Insekten summen. Natur pur! Die Idee der Stele am Findling ist eine gute: hinsetzen, Augen schließen, einfach mal lauschen. Unbedingt empfehlenswert!
Aufmerksam nach Holzpfeil in Bäumen schauen
Tatsächlich kann man sich aber inmitten des dichten, von vielen Wegen durchzogenen Nationalparkwaldes etwas einsam, sogar orientierungslos fühlen, so wie eben auch mal im Leben. Der Wanderer sollte aufmerksam nach dem schlichten Holzpfeil an den Bäumen schauen, der den Weg, nicht allzu üppig allerdings, ausschildert.
Die Natur ist so faszinierend, dass es niemals eintönig wird. Wer mit offenen Augen den Weg entlang geht, sieht viel Faszinierendes. Hoch gewachsene Nadelbäume, abgestorbene riesige Wurzelballen von Bäumen, wie Riesen-Streichhölzer anmutende, tote Baumriesen quer über dem Pfad, jede Menge Grün ringsherum und kleinere moorige Gewässer mit seltsamen Pflanzen. An einer Stelle wachsen kuriose grüne Büschel aus dem dunklen Wasser, die wie eine lustige Trollfamilie mit grünen Haaren aussehen.
Es riecht nach warmem Holz, je tiefer der Wanderer in den Wald hineingeht. Der Weg zieht sich etwas aufwärts, aber das Weiterwandern lohnt sich, und bald ist der Tiroler Stein erreicht. Er erzählt die Geschichte des Tiroler Wanderhändlers Thomas, der seit 1740 öfter in der Hochwälder und Hunsrücker Gegend weilte, um zu handeln. Er machte sich am 19. Januar 1741 von Abentheuer aus auf den Weg Richtung Züsch, um seine Waren auf den Märkten anzubieten. Nachdem er nicht in den Orten auftauchte und die Kaufmannskollegen sich um ihn sorgten, ließ man ihn suchen. Ein Suchtrupp fand den gefrorenen Leichnam von Thomas am 23. Januar 1741. Er wurde erschlagen.
Der Heimatverein Neuhütten baute an der Fundstelle, an der sich zuvor nur ein schlichtes Holzkreuz befand, im November 1981 eine Gedenkstätte aus Feldsteinen. Der Wanderer trifft danach auf ein Wegkreuz in Form eines Sterns, wo fünf Wege aufeinander treffen, auch hier wieder ein Bezug zum Leben: Wie oft steht man vor Entscheidungen und sucht nach dem richtigen Weg? Die Beschilderung macht es einem hier einfacher. Der Weg zurück zur Nationalparkkirche ist ein breiter, gut begehbarer Forstweg.
Wanderer kann viele spirituelle Punkte erleben
Beide Wege zusammen sind mit einiger Grundkondition gut machbar. Auf alle Fälle sollten Wanderer viel Zeit mitbringen, um die unterschiedlichen spirituellen Punkte entlang beider Wege zu erleben. Eine Möglichkeit zum Start oder zum Abschluss bietet natürlich die Nationalparkkirche. Sie wurde nach ökologischen Vorgaben restauriert, mit Infrarotheizung, Holzboden und sogar Nistkästen, die Fledermäusen, Sperlingen, Mauerseglern und Turmfalken ein Zuhause bieten. Der helle, kühle Innenraum kann flexibel für Gottesdienste und Veranstaltungen genutzt werden.