Künstliche Intelligenz:KI und die Suche nach Sinn

ChatGPT, Gemini, Claude und Perplexity heißen die Programme, die auf alle Fragen und Lebenslagen eine Antwort zu wissen scheinen. Menschen führen mit den Maschinen bisweilen auch psychologische Gespräche oder suchen nach spirituellem Austausch. Die KI beteiligt sich an einem persönlichen, reflektiven Zwiegespräch – nimmt also den Rang eines menschlichen oder gar göttlichen Gesprächspartners ein.
Diese Entwicklung beleuchtet Claudia Paganini in ihrem neuen Buch „Der neue Gott. Künstliche Intelligenz und die menschliche Sinnsuche“ (Verlag Herder, ISBN 978-3-451-60146-0, 192 Seiten, 20 Euro). Statt ein Gebet zu sprechen oder zu meditieren, könnten auch Fragen an eine KI zu einem Ritual werden. Eine spirituelle Dimension entstehe, wenn es darum gehe, „Orientierung und Sinn in einer herausfordernden Situation zu finden“, sagte die Philosophin kürzlich im Deutschlandfunk.
Klare Grenze beim Einsatz von KI
Theologen befremdet diese Idee. Eine klare Grenze beim Einsatz von KI im pastoralen Bereich sieht Andreas Büsch, katholischer Professor für Medienpädagogik und Kommunikationswissenschaft an der Katholischen Hochschule Mainz: Das sei letztlich Beziehungsarbeit, die eine KI nicht in der Lage sei zu erfüllen – höchstens zu simulieren.
Die Software errechne Wahrscheinlichkeiten dafür, welche Antwort am besten zu einer Frage passen könnte. Zudem stimmten Fakten bei weitem nicht immer. Mittlerweile ist zudem bekannt, dass KI immer wieder „halluziniert“ – und das wird auch bei weiterem Training vorkommen.
KI ist gut für simple Aufgaben
Hingegen sei das Besondere an dieser Technologie, sehr schnell auf enorme Datenmengen zuzugreifen und durch Verarbeitung in neuronalen Netzwerken sinnvoll anmutende Antworten daraus zu erstellen: Daher nenne sie sich „generative KI“, erläutert Büsch. Sie könne gut simple Routineaufgaben übernehmen. Menschen neigten allerdings dazu, diese Funktion zu überschätzen. „Viele Menschen interpretieren ihre (der KI) beachtliche Leistungsfähigkeit als Ausdruck von Urteilskraft, Empathie, Einsicht“, erklärt der Kognitionswissenschaftler Eric Schulz, Direktor am Institut for Explainable Machine Learning des Helmholtz Instituts München auf der Institutswebseite.
Ich finde die Analogie durchaus interessant, aber für einen Gottesbezug fehlen mir im Buch ganz wesentliche Kategorien.
Andreas Büsch
Trotz ähnlicher Verhaltensmuster zwischen Mensch und Maschine „gibt es jedoch bedeutende Unterschiede, insbesondere im Verständnis und in der Empathie“, betont Schulz. Maschinen fehle eine „Therory of Mind“ – also eine Übernahme verschiedener Perspektiven –, wodurch sie mentale Zustände weder verstehen noch zuschreiben können. Die Anmutung eines tatsächlichen Austauschs entsteht durch das Software-Design eines Chats. Wer etwa „Was hilft bei ...?“ ins Eingabefeld tippt, sieht, wie sich das Fenster innerhalb von Sekunden mit zahlreichen Tipps füllt. Das hat etwas Mächtiges, fast Magisches, gar Göttliches – wie Paganini schreibt.
„Ich finde die Analogie durchaus interessant, aber für einen Gottesbezug fehlen mir im Buch ganz wesentliche Kategorien“, kritisiert Büsch. Er nennt die Fehlerhaftigkeit der KI, ihre Unvollkommenheit und Begrenztheit: Belege dafür seien ein möglicher Kollaps des Modells und eine begrenzte Datenbasis. Der katholische Theologe sieht zudem ein grundlegendes religiöses Problem: Der Vatikan nennt eine Überhöhung von KI in der Note „Antiqua et Nova“ einen „Götzendienst“; in einem Thesenpapier der Deutschen Bischofskonferenz von 2020 zu KI und Digitalität finde sich dafür der Begriff Gotteslästerung.
Leo XIV., der erste digitale Papst
Unter dem Motto „Rome Call for Ethics“ hat es mehrere weltweite Treffen zu KI gegeben. Das im Januar veröffentlichte Papier „Antiqua et Nova – Note über das Verhältnis von künstlicher Intelligenz und menschlicher Intelligenz“ befürwortet eine Weiterentwicklung der Technologie in eine positive Richtung. „Ich glaube, das Papier ist etwas unter dem Radar geblieben, es stellt aber einen wichtigen Beitrag dar“, sagt Büsch.
So steht im Vatikan-Papier: „Eine große Herausforderung und Chance für das Gemeinwohl liegt heute darin, diese Technologie in einem Horizont relationaler Intelligenz zu sehen, welche die Vernetzung von Individuen und Gemeinschaften betont und die gemeinsame Verantwortung für das ganzheitliche Wohlergehen der anderen hervorhebt.“
Mit dem ersten „digitalen“ Papst sei das Thema KI jetzt mehr in die Öffentlichkeit gerückt, sagt Sozialethikerin und KI-Expertin Anna Puzio im Interview des Nachrichtenportals katholisch.de. Leo XIV. wolle Fragen der sozialen Ungerechtigkeit, die durch KI verschärft würden oder neu entstünden, noch mehr in den Mittelpunkt stellen. Außerdem betone er die Auswirkungen neuer Technologien auf Arbeit und die arbeitenden Menschen.