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Lumpenglocke:Glocke ruft zur Sperrstunde

550 Jahre lang läutet am Hauptmarkt in Trier die „Lumpenglocke“ St. Gangolf. Das Jubiläum wird mit einem Gottesdienst und buntem Fest am 22. und 23. August in der Marktkirche gefeiert.
Zeichnung des Trierer Hauptmarktes. St. Gangolf mit 'Lumpenglocke'.
Datum:
13. Aug. 2025
Von:
Christine Cüppers

Trier. Im Jahre 1475, so ist es als Schrift auf der Glocke und in historischen Quellen zu lesen, wurde die Gangolfsglocke, in Trier besser bekannt als „Lumpenglocke“, von „Meister Nicolaus von Enem“ gegossen. Die Bronzeglocke mit einem Durchmesser von 1,55 Metern wiegt 2,6 Tonnen. Ihr Schlagton ist „cis“. Laut Inschrift lobe sie mit ihrem Geläut „den wahren Gott. Den Satan schlage ich in die Flucht, den Klerus rufe ich zusammen, durch Gottes Gnade möge Gangulfus alles Schädliche abweisen“. Kirchenpatron St. Gangolf ist auf der Glocke abgebildet. 

„Seit 550 Jahren ist die Glocke für alle Bewohner unserer Stadt ein vertrauter Klang. Bis heute vermittelt sie ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit“, erklärt Dr. Markus Nicolay, Pfarrer der Innenstadtpfarrei Liebfrauen, zu der St. Gangolf gehört, und Mitglied des Kuratoriums Markt- und Bürgerkirche St. Gangolf.

Auch heute läutet die „Lumpenglocke“ täglich um 22 Uhr. Mit ihren „vier Schwestern“ ruft sie zudem seit 550 Jahren die Menschen regelmäßig zum Gottesdienst zusammen und läutet in der Silvesternacht das neue Jahr ein. Viele Kirchenglocken wurden im Laufe der Jahrhunderte zu Kriegszwecken eingeschmolzen. Ein  Schicksal, das der Gangolfsglocke erfreulicherweise erspart blieb. 

Warum sie den Namen „Lumpenglocke“ trägt? „Die St. Gangolf-Glocke war seit Jahrhunderten nicht nur Gottesdienstglocke, sondern auch die Polizei- oder Sperrglocke von St. Gangolf als Stadtkirche“, erläutert Kuratoriumsvorsitzender Bernhard Kaster. Das Läuten um 22 Uhr, früher bereits um 21 Uhr, sei der Beginn der Sperrstunde gewesen und damit das Zeichen, dass die „Lumpen“, also der Zecher, aus den Trierer Wirtsstuben ihren Heimweg antreten mussten. Auch als Hinweis auf die Schließung der Stadttore und bei Brand läutete die Glocke. Diese Zwecke waren bereits 1463 in der Polizeiverordnung festgeschrieben, in der die Glocke auch den Namen „Abend-Weinglocke“ trägt. Im Zweiten Weltkrieg entging die „Lumpenglocke“ dem  Einschmelzen, da sie als historisch wertvoll eingestuft war. 

Bis heute erhält die Kirchengemeinde von der Stadt für das abendliche traditionelle Läuten  15,50 Euro, was einst dem täglichen Betrag von 10 Pfennigen entsprach. Das 22-Uhr-Läuten der „Lumpenglocke“ kann inzwischen als „Klingelton“ benutzt werden. Auf der Internetseite der Pfarrei Liebfrauen gibt es unter www.t1p.de/st-gangolf-trier die Audiodatei zum Herunterladen. 

Das Jubiläum der „Lumpenglocke“ sei also ein Anlass,  in angemessener Form am Freitag und Samstag, 22. und 23. August, würdig gefeiert zu werden. Damit werde man laut Kaster „der außerordentlich hohen Beliebtheit und Verbundenheit der Trierer Bürgerinnen und Bürger mit „ihrer“ Markt-, Bürger- und Handwerkerkirche gerecht“.

Angestoßen wird bei dem Fest allerdings nicht mit Champagner oder Sekt. Passenderweise wird  Viez ausgeschenkt. Als Veranstaltungspartner wurde die Trierer Viezbruderschaft gewonnen. Für den Anlass hat das Kuratorium eine limitiert aufgelegte Jubiläums-Viezporz fertigen lassen. Das Motiv hat der Trierer Künstler Roland Grundheber gestaltet. 550 Exemplare werden zum Preis von 18,50 Euro an den Jubiläumstagen in St. Gangolf zum Kauf angeboten. Da die Lumpenglocke auch Gefahrenmeldeglocke war, ist der Verkaufserlös für die zur „Blaulichtfamilie“ gehörende Trierer Notfallseelsorge bestimmt. 

„Seit über 20 Generationen haben Trierer Bürgerinnen und Bürger der verschiedensten Zeitepochen diese eine Glocke im Ohr“, stellt Künstler Grundheber dar. Im Gegensatz zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt werde die Lumpenglocke rein auditiv wahrgenommen. „Man könnte also sagen, die Glocke ist eine ,Hörenswürdigkeit‘, deren Sichtbarkeit für die meisten im Glockenturm verborgen bleibt.“ Neben dem „Sichtbarmachen des Unsichtbaren“ sei es ihm bei der Gestaltung des Viezporz-Motivs auch darum gegangen, die „Oase des Friedens“ im Abseits und doch im Zentrum der Stadt darzustellen. Ein Vorhaben, das er in einem heiter-bunten Bild zum Ausdruck bringt. 

Festprogramm

Das Jubiläumsfest beginnt am Freitag, 22. August, 18 Uhr, mit der Heilige Messe mit musikalischer Gestaltung durch das Vokalensemble „sine nomine“ unter Leitung von Stefan Kölsch. Im Innenhof gefeiert wird am Freitag bis 21 Uhr, am Samstag von 10 bis 18 Uhr. Musik mit dem Chor der Trierer Karnevalsgesellschaft Heuschreck und mit Andreas Sittmann steht auf dem Programm. Stündlich werden Turmführungen verlost.