Geschlechtsnterschiede :Frauen sterben anders

Der Tod ist gerecht, heißt es, denn am Ende trifft er alle. Doch schaut man genauer hin, lässt sich feststellen: Auch im Sterben gibt es Unterschiede. Frauen sterben anders – oft langsamer, einsamer, in der Regel Jahre später als Männer. Und ihr Weg dorthin ist von einem Leben geprägt, das sich von dem vieler Männer unterscheidet.
Die Bestatterin und Trauerbegleiterin Hanna Roth hat aus ihrer alltäglichen Erfahrung zu diesem Thema ein Buch geschrieben. „Sterben Frauen anders?“ ist Mitte Oktober erschienen, vor Kurzem hat die Autorin es in Bergisch-Gladbach bei Köln vorgestellt. Dort ist sie Teil der Geschäftsführung des Bestattungshauses Pütz-Roth – und auch als Trauerbegleiterin tätig.
Von Abhängigkeit und Einsamkeit geprägt
Roth sieht mehrere Gründe dafür, warum Frauen anders sterben als Männer. Zum einen leben Frauen zwar statistisch betrachtet länger als Männer, doch sind ihre letzten Jahre oft genug schwer. Die Autorin zitiert eine Statistik, nach der zwei Drittel aller Alzheimer-Erkrankten weiblich sind. Diese Zeit sei daher nicht selten von Abhängigkeit und Einsamkeit geprägt. „Frauen sterben langsamer“, schreibt Roth, „und sie werden dabei häufiger vergessen.“
Viele Frauen seien zudem ihr Leben lang für andere da gewesen: als Mütter, Pflegerinnen, Partnerinnen. Diese Fürsorge prägt demnach auch ihr Sterben. Sie wollten niemandem zur Last fallen, und hielten durch – mitunter ohne es zu hinterfragen, einfach, weil sie es gewohnt seien. Männer sterben häufiger plötzlich – an Herzinfarkt, Unfall oder Suizid –, Frauen dagegen „arbeiten sich aus dem Leben heraus“.
Vertraut mit Schmerz und Vergänglichkeit
Zugleich, schreibt Roth, besitzen Frauen oft eine größere Nähe zum Tod. Weil sie gebären, häufiger Schutzbedürftige pflegen und begleiten, seien sie vertrauter mit Körperlichkeit, Schmerz und Vergänglichkeit. Frauen öffneten sich auch emotional stärker für das Thema Tod, hat sie in ihrer Berufserfahrung festgestellt, wie sie bei der Buchvorstellung berichtete.
Frauen befassten sich mehr als Männer mit Vergänglichkeit und Endpunkten, aber auch mit dem Thema Loslassen. Das führe auch dazu, dass es meistens Frauen seien, die zum Bestattungsunternehmen kämen, um für ihre eigene Bestattung schon zu Lebzeiten vorzusorgen. Männer gäben im Gespräch mit ihr häufig zu, von ihrer Frau zu diesem Termin gedrängt worden zu sein.
Ist ein Todesfall eingetreten, seien Rituale unglaublich wichtig, betont die Bestatterin. Jeder und jede solle daher möglichst vorher überlegen, was zu einem passe und dann mit der Familie oder dem Freundeskreis darüber sprechen.
Die meisten Bestatter sind weiblich
Der Umgang mit Tod und Trauer ist offenbar fest in Frauenhand. Wie die Bestatterin Roth der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte, stammen 80 Prozent der Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz als Bestattungsfachkraft in ihrem Haus von Frauen. Bundesweit lag der Anteil der weiblichen Auszubildenden nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr bei 57 Prozent. Auch der Beruf der Trauerbegleiterin ist fast ausschließlich weiblich besetzt, schreibt Roth.
Sie sehe in ihrem Berufsalltag im Schnitt jeden Tag zwei bis drei tote Menschen, sagte die Bestatterin weiter. Die Toten lehrten sie große Dankbarkeit und Demut für das Leben. Aus dieser Nähe zum Tod könne man lernen, sich immer wieder zu überlegen, was das eigene Leben ausmache. Sie habe für sich festgestellt, dass der Umgang mit Toten ihr deutlich mache, wie kostbar das Leben sei. Und: „Wir können das Leben nur genießen, wenn wir uns unserer Endlichkeit bewusst sind.“
