Bistumsarchiv:Familiengeschichte rund um die Uhr erforschen

Von zuhause aus zu nachtschlafender Zeit Familien erforschen“ – von dieser Perspektive, die Dr. Monica Sinderhauf, Leiterin des Trierer Bistumsarchivs, schmunzelnd vorstellt, konnten Familienforscher in der Diözese Trier nur träumen. Bisher zumindest. Ab 10. Juni soll der Traum Realität werden: Die digitalisierten Kirchenbücher des Bistums gehen online – Schritt für Schritt oder besser gesagt Seite für Seite.
Über 7000 Kirchenbücher mit jeweils zwischen 250 und 300 Seiten haben wir im Archiv. Über 1 750 000 Seiten, das ist ordentlich.
Dr. Monica Sinderhauf
„Das Projekt der Kirchenbuch-Digitalisierung ist 2016 beschlossen worden. Zwei Jahre später begann die auf zehn Jahre angelegte Arbeit“, nennt Archivar Stefan Nicolay die zeitliche Dimension der Herausforderung, vor der im kleinen Archivteam besonders die Archivarinnen Marita Kohl und Jutta Wczulek stehen. Jeweils 9,75 Wochenstunden stehen ihnen für eine Aufgabe zur Verfügung, die man mögen und um deren tiefen Sinn man wissen muss, um sie ambitioniert erfüllen zu können: Jede einzelne Seite der Kirchenbücher aus dem Bistum scannen sie ein, überprüfen sie am Computer auf Qualität und geben sie für die dauerhafte Abspeicherung frei. Im zweiten Schritt werden die Daten zur Onlinestellung freigegeben, die nicht mehr dem Datenschutz unterworfen sind.
Wer das jetzt wenig spektakulär findet, ahnt nicht den Umfang: „Über 7000 Kirchenbücher mit jeweils zwischen 250 und 300 Seiten haben wir im Archiv. Über 1 750 000 Seiten, das ist ordentlich“, verrät Sinderhauf. Die ältesten datieren von 1571, als die katholische Kirche anfing, die Zugehörigkeit schriftlich festzuhalten. Seither werden in jeder Pfarrei akribisch genau die Angaben zu Taufen, Hochzeiten und Todesfällen notiert.
Früher haben die Priester diese Bücher geführt. Geregelt war, welche Angaben notwendig einzutragen waren. Nicht geregelt war die äußere, gleichförmige Gestaltung der Einträge. „Bücher weisen beispielsweise Einträge in fließendem Text über Doppelseiten auf, während andere in früher selbst gezeichneten, heute vorgedruckten Tabellen die Daten präsentieren“, stellt Nicolay dar.
Die Schriftbilder unterschieden sich deutlich, reichen von „Sauklaue“ bis „Sonntagsschrift“. Beim Führen der Kirchenbücher verwendeten die jeweiligen Autoren stets lateinische Buchstaben, also jene, die heute noch ohne Schwierigkeiten zu lesen sind. Die Angaben wurden in Latein gemacht: „Pater et Mater“ beispielsweise als Überschrift für die Zeilen mit den Angaben zu „Vater und Mutter“. Seit im 19. Jahrhundert Helfer in den Pfarreien bei der Buchführung unterstützten, werden die Einträge in deutscher Sprache vorgenommen. Dann aber in der gebräuchlichen „Deutschen Kurrentschrift“, die für heutige Leser rätselhaft erscheint.
Kirchenbücher bleiben 80 Jahre lang in Pfarrei
Rund 80 Jahre lang bleiben die Bücher in der jeweiligen Kirchengemeinde. So lange könnten noch Nachträge und Ergänzungen, aber auch Nachfragen möglich sein. Daher werden diese Bücher noch nicht digitalisiert und aus Gründen des Datenschutzes nicht veröffentlicht. Erfolgt im Pfarrbüro keine weitere Nutzung, werden diese Kirchenbücher geschlossen und an das 1936 gegründete Bistumsarchiv übergeben, wo sie als kirchliche Urkunden dauerhaft aufbewahrt werden. Und hier werden sie in alphabetischer Reihenfolge gescannt.
Taufbücher werden bis 1900 in digitalisierter Form im Netz bereitgestellt, die Bücher über Eheschließungen und Sterbefälle bis 1920. „Wir scannen jeweils alle Seiten samt Einband und einem Deckblatt mit Inhaltsverzeichnis“, erklärt die Archivleiterin. Die Arbeit dient nämlich nicht nur dazu, Familienforschern leichteren Zugang zu den Büchern zu verschaffen. „Für uns ist es in erster Linie eine wichtige Sicherung, die es bisher in der Form nicht gab.“ In den Jahren des Zweiten Weltkriegs habe es Sicherungsverfilmungen der Bücher gegeben, die aber mangels Technik nicht zu nutzen sind.
Künftig ist Recherche auch online möglich
Apropos verwenden: Monica Sinderhauf und Stefan Nicolay berichten von „sehr vielen“ Familienforschern, die im Bistumsarchiv um Unterstützung anfragen. „Bis vor 20 Jahren kamen sie alle in die Archive und haben im Lesesaal mit den Originalen gearbeitet. Inzwischen nutzen viele die Möglichkeiten des Internets, wo es neben Recherchemöglichkeiten auch fertige Stammbäume gibt“, erläutert der Archivar. Auffallend sei in jüngster Vergangenheit die hohe Anzahl von Anfragen aus Brasilien. „Nachfahren von Menschen, die im 19. Jahrhundert ausgewandert sind, forschen oft in Zusammenhang mit einem angestrebten Wiedereinbürgerungsantrag nach Vorfahren“, sagt Sinderhauf.
Allen, die ihre Familiengeschichte erforschen und dabei die Kirchenbücher nutzen wollen, steht weiter die Vor-Ort-Recherche zur Verfügung. Ab Mitte/Ende Juni kann zudem die Online-Variante genutzt werden.
Bis alle Kirchenbücher der Diözese digitalisiert sind, wird es noch dauern. „Mit der Projektzeit werden wir vermutlich nicht hinkommen. Das ist mit dem geringen Stellenumfang nicht zu schaffen“, ahnt Sinderhauf. Den beiden „Scan-Beauftragten“ geht die Arbeit jedenfalls vorerst nicht aus. „Es ist oftmals nicht die abwechslungsreichste Tätigkeit“, gibt Marita Kohl schmunzelnd zu. Aber die verschiedenen Gestaltungen und auch die unterschiedlichen Erhaltungszustände der Kirchenbücher seien doch sehr interessant, ergänzt sie – blättert um und scannt eine weitere Kirchenbuch-Seite.