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Impulse:Eine andere Sprache wählen

Die Auseinandersetzung mit biblischen Texten fasziniert Anke Lechtenberg schon seit dem Studium. Nun hat die Theologin eine Reihe mit Impulsen zu den Sonntagsevangelien veröffentlicht.
Die Reihe über die Sonntagsevangelien ist im Verlag Friedrich Pustet erschienen. Die einzelnen Bände kosten jeweils  18 Euro.
Datum:
26. Mai 2025
Von:
Sarah Schött

„Mein Anliegen war, unseren Glauben in einer anderen Sprache zu verkünden“, erklärt die 54-Jährige. Lechtenberg, die früher als Pastoralreferentin im Bistum Trier tätig war und nun in Rheine (bei Münster) am Berufskolleg Deutsch und katholische Religion unterrichtet, ist der Meinung, dass die kirchliche Binnensprache viele Menschen abschrecke. Dem wollte sie etwas entgegensetzen. Über Kontakte aus ihrer Mitarbeit an der Fachzeitschrift „Liturgie konkret“ entsteht die Idee für das Projekt. „Als das auf meinem Tisch landete, war das wunderbar. Weil es dazu passt, dass ich Dinge gerne so sagen möchte, dass sie am Leben andocken und Menschen auch weiterführen in inneren Prozessen.“ 

Sukzessive sind drei Bände entstanden, die jeweils zum neuen Kirchenjahr veröffentlicht wurden. Das aktuelle Lesejahr C bildet den Abschluss. „Es hat sehr viel Freude gemacht, nochmal ganz viel Fachliteratur zu lesen und mich da richtig reinzuknien“, blickt die Theologin auf die Arbeitsphase zurück. 

Jesus macht kein Drama draus

Die Zielgruppe, an die sich die Impulse wenden, ist breit gefächert. „Es ging um diejenigen, die in der Verkündigung stehen, egal ob Priester, Ehrenamtliche, Wortgottesfeierleiter, ... also um diejenigen, die die Aufgabe haben, das Evangelium auszulegen. Aber von vornherein war auch klar, dass alle Menschen mitgemeint sind, die in irgendeiner Weise spirituell suchend im christlichen Kontext unterwegs sind und ihren Glauben vertiefend leben möchten“, so Lechtenberg. 

Daher freut sie sich über die positiven Rückmeldungen etwa von Menschen, die sich den Text sonntags einfach mal so vornehmen, oder von Leiterinnen und Leitern von Bibelgruppen, die die Texte nutzen.

Ich mache die Erfahrung, dass Jesus selbst die beste Werbung für sich ist. Auch und gerade bei jungen Leuten.

Anke Lechtenberg

Und welches ist ihr persönliches Lieblingsevangelium? Da muss Anke Lechtenberg kurz überlegen. „Was mich sehr angefasst hat, ist, dass Jesus aus der Tatsache, dass Menschen schuldig werden, niemals ein Drama macht. Das ist mir durch das Schreiben so deutlich geworden wie kaum zuvor.“ Leider sehe die Leseordnung vor, dass manche Perikopen aus dem Zusammenhang gerissen werden. Das führe dazu, dass die Zielgruppe nicht immer klar sei, wenn Jesus sehr deutliche Worte nutze. „Schaut man dann genau hin, findet Jesus die deutlichsten Worte für die religiösen Vertreter seiner Zeit, die Mitglieder der etablierten Religionsoberschicht. Denen redet er ganz klar ins Gewissen: Dass man nicht lieblos von Gott reden und Menschen nicht ausgrenzen kann. Sehr viel kritischer als mit Sündern ist Jesus mit der religiösen Elite.“ 

Ein Evangelium, was ihr in diesem Kontext am Herzen liegt, ist der Text über die Ehebrecherin im Johannesevangelium (Joh 8, 1–11). Dieser stamme ursprünglich wohl aus dem Lukasevangelium, sei aber dort herausgeschnitten worden und vier Jahrhunderte lang unter den Tisch gefallen, bevor er durch Hieronymus seinen aktuellen Platz im Johannesevangelium gefunden habe. Zudem habe noch der heilige Augustinus Verständnis dafür geäußert, wenn jemand ein solch skandalöses Evangelium im Gottesdienst nicht vortragen wollte. „Offenbar war es der kirchlichen Männerwelt unbegreiflich, dass Jesus so barmherzig mit einer Ehebrecherin umgehen kann.“ Lechtenbergs Plädoyer deshalb: Tradition an manchen Stellen vielleicht viel mehr zugunsten dessen relativieren, was in der Tat im Evangelium steht. 

Jesus ist selbst für sich die beste Werbung

Doch um die Freude darüber, was in den Texten steht, zu teilen, müsste man zunächst Menschen gewinnen, die die Texte überhaupt lesen. Ist das heute noch möglich in einer Zeit, in der sich immer weniger Menschen für die „Frohe Botschaft“ zu interessieren scheinen? Ja, sagt Anke Lechtenberg. „Wenn ich mit meinen Schülern das Evangelium lese, kommt anfangs: ,Och nö‘. Aber sobald sie wahrnehmen, wie faszinierend dieser Jesus mit Menschen umgegangen ist, sind sie begeistert. Und oft kommt dann die Äußerung: ,Das sagt einem die Kirche ja gar nicht‘. Ich mache die Erfahrung, dass Jesus selbst die beste Werbung für sich ist. Auch und gerade bei jungen Leuten. Wenn man in einer Sprache spricht, die sich nicht den kirchlichen Redensarten verpflichtet weiß.“ 

Um zu schauen, ob ihre Impulse berühren, hat Lechtenberg auf ihren Freundes- und Bekanntenkreis zurückgegriffen, in dem es, wie sie sagt, nicht nur viele Theologinnen und Theologen, sondern auch „Ottonormalverbraucher“ gibt. „Insbesondere eine Freundin, die aus der Kirche ausgetreten ist und nichts mit Religion am Hut hat, war sehr hilfreich, um zu überprüfen, ob ein Text funktioniert, nachvollziehbar ist. Aus ihrer Kritik entstanden am Ende die besten Anregungen, die mich zwangen, Texte nochmal genauer zu fassen oder einen anderen Schwerpunkt zu setzen. Das war sehr wertvoll, aber natürlich auch herausfordernd, wenn man verliebt in den eigenen Text ist und ihn dann doch wieder loslassen muss“, bekennt die Autorin lächelnd.

Verkündigung ist gerne irgendwie Behauptung. Und das wollte ich nicht, etwas behaupten, das sich an der Wirklichkeit nicht messen lässt.

Anke Lechtenberg

Auch die sich ändernde Weltlage hat sie versucht, in ihre Arbeit einfließen zu lassen. „Ich musste oft bei jedem einzelnen Satz nochmal prüfen, ob er der Wirklichkeit standhält. Mir ist wichtig, nicht mit Plattitüden zu kommen und Zweifel nicht vom Tisch zu wischen, sondern als wichtigen Schritt in der Entwicklung von Gottesbeziehung zu sehen“, erklärt die 54-Jährige.

Man müsse aber auch lernen, Gott das Geheimnis sein zu lassen, das er eben sei. „Das ist etwas, das ich an vielen Predigten vermisse. Verkündigung ist gerne irgendwie Behauptung. Und das wollte ich nicht, etwas behaupten, das sich an der Wirklichkeit nicht messen lässt“, ist sie überzeugt.

Manchmal sei die Herausforderung, Gott im guten Sinne Gott sein und sich von ihm überraschen zu lassen. Und auch, sich vom Leben überraschen zu lassen, wie Lechtenberg sagt – um im Rückblick zu sehen, dass Vertrauen sinnvoll war. „,Et is noch immer jut jegangen‘, würden die Kölner sagen. Und Soren Kierkegaard sagt: ,Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden‘. Es geht darum, dieses Vertrauen zu lernen, auch wenn ich das Leben gerade nicht verstehe, nicht weiß, wofür es gut sein soll, oder es mir anders gewünscht hätte. Aber dieses Vertrauen, das ich im Rückblick lernen kann, für die Zukunft zu nutzen, das ist für mich Glaube.“