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Ruhestand:Dem Leben neuen Glanz geben

Warum der Ruhestand kein Rückzug sein muss – und wie sinnvolle Arbeit im Alter zu mehr Lebensqualität führen kann.
Zwei Frauen spielen in einer Bibliothek gemeinsam ein Würfelspiel.
Datum:
11. Nov. 2025
Von:
Angelika Prauß

Während Politik und Wirtschaft über längere Lebensarbeitszeiten diskutieren, träumen viele Babyboomer vom Ruhestand: endlich nichts tun, das Leben genießen. Doch dieser Wunsch nach Müßiggang kann in die Irre führen, warnt Unternehmer Gerhard Drexel in seinem Buch „Irrtum Ruhestand“. Für ihn ist Arbeit – ob bezahlt oder ehrenamtlich – ein Schlüssel zu einem glücklichen und sinnerfüllten Leben im Alter.

Begriff Ruhestand ist ein fataler Irrtum

Schon der Begriff „Ruhestand“ sei ein „fataler Irrtum“, so Drexel. Er suggeriere Stillstand, obwohl viele Menschen beim Renteneintritt noch ein Viertel ihrer Lebenszeit vor sich haben. Diese Zeit will gestaltet werden – mit Sinn und Struktur. Drexel beobachtet, dass viele Jungrentner sich treiben lassen: Arzttermine, Freizeitaktivitäten, Erledigungen. Sie tun vieles, aber nicht das Richtige. Es fehlt die Prioritätensetzung für erfüllende Tätigkeiten. Die Folge: Unruhestand statt Ruhestand.

Die Rente ist kein Ende, sondern ein Anfang.

Gerhard Drexel

Der Übergang in die Rente sei einer der gravierendsten im Leben. Wer sich nicht aktiv mit dieser neuen Lebensphase auseinandersetzt, riskiert eine „permanente Unterforderung“, die körperliche und geistige Fähigkeiten abbaut. Studien zeigen: Längeres Arbeiten wirkt sich positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden aus. Doch es geht nicht um Zwang, sondern um Selbstbestimmung. Drexel plädiert für eine neue Haltung: „Ich darf arbeiten – und nicht: Ich muss arbeiten.“

Auch Ordensleute leben diese Haltung. Nonnen und Mönche gehen nicht einfach in Rente, sondern bringen sich weiter in ihre Gemeinschaft ein – oft bei guter Gesundheit und hohem Alter. Arbeiten im Alter scheint bei ihnen zu einem guten Lebensabend beizutragen. Drexel sieht darin ein Vorbild für alle: Arbeit als sinnstiftender Bestandteil eines gelingenden Lebens.

Der Mensch ist auf Sinn angelegt, nicht auf Glück – das wusste schon Viktor Frankl, Begründer der Logotherapie. Frankl sah die Sinnsuche als zentrale Motivation des Menschen, auch im Alter. Eine selbstgewählte, sinnvolle Tätigkeit kann vor Sinnleere und „Pensionsschock“ schützen, der laut Drexel besonders Führungskräfte trifft. Denn wer jahrelang Verantwortung trug, fällt oft in ein Loch, wenn diese plötzlich wegfällt.

Ein erfülltes Leben braucht Struktur

Drexel warnt davor, das bequeme mit dem guten Leben zu verwechseln. Ein erfülltes Leben braucht Struktur, soziale Kontakte und Herausforderungen. Freizeit gewinnt erst durch Knappheit an Wert. Wer nur entspannt, steuert auf eine Sinnkrise zu. Stattdessen könne der Ruhestand die Chance bieten, „seine Berufung nach dem Beruf zu finden“.

Dabei ist Arbeit nicht gleich Arbeit. Es geht um eine Neuausrichtung: weg von Fremdbestimmung, hin zu Selbstbestimmung. Eigene Talente und Interessen sollen zum Tragen kommen – bei reduziertem Umfang. So entstehen neue Aufgaben, die stärken und erfüllen. Drexel nennt das den „Gamechanger“ für ein gutes Leben im Alter.

Mit dieser Haltung lässt sich dem Leben „neuen Glanz“ verleihen. Selbstwert und Selbstbewusstsein wachsen, wenn man gebraucht wird und etwas Sinnvolles tut. Drexel fordert ein Umdenken: Weg vom Bild des passiven Rentners, hin zum aktiven Gestalter des eigenen Lebensabends. Arbeit im Alter muss nicht Erwerbsarbeit sein – auch ehrenamtliches Engagement, familiäre Aufgaben oder kreative Projekte können sinnstiftend wirken. Entscheidend ist die Selbstbestimmung: „Was will ich wirklich tun? Was erfüllt mich?“

Die Rente ist kein Ende

Dabei geht es nicht um Leistung oder Produktivität, sondern um Teilhabe und Sinn. Wer sich einbringt, bleibt verbunden – mit anderen und mit sich selbst. Drexel sieht darin eine Chance für persönliches Wachstum: „Die Rente ist kein Ende, sondern ein Anfang.“

Sein Buch ist ein Plädoyer für einen neuen Umgang mit dem Alter: aktiv, selbstbestimmt und sinnorientiert. Es fordert dazu auf, die eigene Haltung zu überdenken und den Ruhestand nicht als Rückzug, sondern als Möglichkeit zu sehen – für neue Aufgaben, neue Beziehungen und neue Perspektiven. Denn wer dem Leben im Alter „neuen Glanz“ verleiht, gewinnt mehr als Zeit: Er gewinnt Tiefe, Verbindung und Zufriedenheit.

Buchcover: Irrtum Ruhestand

Buch

Gerhard Drexel: Irrtum Ruhestand. Wie die späten Jahre die besten werden, edition a, Wien 2025, 231 Seiten, 26 Euro.