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Selbstbestimmt und Zufrieden:Das Alter neu denken

Alt sein heißt nicht, dem Verfall hilflos zuzusehen. Ein neues Buch zeigt, wie Menschen selbstbestimmt und zufrieden leben können. Was das mit Mick Jagger zu tun hat – und warum Pflege keine Einbahnstraße sein muss.
Zwei Männer spielen Boule.
Datum:
7. Okt. 2025
Von:
Christiane Laudage

Das Alter ist eine Zumutung – geprägt von Schwäche, Krankheit, Verfall. Alte Menschen gelten mitunter als Last. Dabei ist das größte Problem nicht das Altern an sich, sondern vielmehr, wie jeder einzelne und die Gesellschaft darüber denken. Das sagen Petra Thees und Lutz Karnauchow – und mit ihrem Buch „Alt, fit, selbstbestimmt“ wollen sie eine neue Sicht auf das Alter vorstellen.

Beide Autoren sind seit Jahrzehnten im Pflege- und Sozialbereich tätig. Das Alter sei keine Krankheit, sagen sie, sondern eine gestaltbare Lebensphase. Statt Menschen in passiver Versorgung zu halten, plädieren sie für ein Modell, das auf Aktivierung, Motivation und Selbstständigkeit setzt. Thees und Karnauchow kritisieren auch das gegenwärtige Konzept der Pflege scharf. Sie mache Menschen kränker, hilfloser und verkürze ihre Lebensspanne.

Je mehr man sich einrede, dass das Alter gleichbedeutend mit Abbau sei, desto mehr reduziere man die eigene Aktivität – und beschleunige so tatsächlich den Verfall, erklären die Autoren. Wer dagegen aktiv bleibe, die Muskeln trainiere und das Gehirn fordere, könne viele Alterserscheinungen abmildern oder sogar verhindern.

Vorbild Rockstar Mick Jagger

Beide verweisen auf Beispiele für sehr aktives und gelungenes Altern – wie beim Rockstar Mick Jagger, der mittlerweile 82 Jahre alt ist und immer noch auftritt. Den Rolling-Stones-Sänger darf man sicherlich als Ausnahmeerscheinung betrachten. Thees und Karnauchow ziehen allerdings auch wissenschaftliche Studien heran, die belegen: Menschen fühlen sich heute deutlich jünger, sind länger aktiv und wollen das auch bleiben.
Jedoch sei die Altenpflege in Deutschland weniger ein System der Hilfe als vielmehr ein System der Konservierung – bedeute also vor allem: satt, sauber, ruhiggestellt. 

Kein Warten auf das Ende

Die Altenpflege ist in ihrem Verständnis kein „Wartesaal für das Ende“; vielmehr könne sie sogar zu einem neuerlichen aktiven Leben beitragen. Bewegung, eigene Ziele und Freude sollen ihrer Meinung nach im Mittelpunkt stehen. Thees und Karnauchow haben in ihrer pflegerischen Praxis erlebt, dass auch hochbetagte Menschen wieder lernen können, allein zu laufen, sich anzuziehen oder sogar selbstständig einzukaufen – wenn man sie denn lässt.

Aus dieser Erkenntnis heraus entwickelten die Autoren ihr Konzept „Coaching statt Pflege“. Das Ziel sei es, Pflegebedürftige nicht zu versorgen, sondern zu begleiten und zu trainieren, um verlorene Fähigkeiten zurückzugewinnen.

Das Vorgehen gleiche einem Coachingprozess, sagen die beiden. Zuerst werde der aktuelle Zustand analysiert, dann die individuellen Stärken und Schwächen. Anschließend werden persönliche Entwicklungsziele definiert und ein Trainingsplan erstellt. Angehörige, Ärzte und Mitarbeitende sind eingebunden; die Fortschritte werden regelmäßig überprüft. 

Viele ehemals pflegebedürftige Menschen könnten so wieder mehr selbst erledigen, gewönnen neue Lebensfreude und erlebten ein Gefühl von Freiheit.

Nötiger Respekt vor dem Alter

Entscheidend ist für die Experten die Kommunikation. Statt von Defiziten auszugehen, brauche es eine Haltung auf Augenhöhe. Sie verwarnen ihre Mitarbeitenden übrigens streng, die pflegebedürftigen Personen zu duzen. Auch Pflegekräfte müssen als Mitarbeiter von Thees und Karnauchow umdenken, da sie in diesem Pflegekonzept auch Motivatoren, Trainer und Zuhörer sind. 

Was also raten sie? Statt Angst vor dem Verfall zu haben, können Menschen ihr Alter aktiv gestalten. Dazu gehören Bewegung, soziale Kontakte, geistige Aktivität und eine positive Haltung. Denn das Alter ist kein Schicksal – sondern eine Lebensphase voller Möglichkeiten.

 

Buch-Cover: Alt, fit, selbstbestimmt. Warum wir Alter ganz neu denken müssen.

Buchtipp

Lutz Karnauchow und Petra Thees, Alt, fit, selbstbestimmt. Warum wir Alter ganz neu denken müssen, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2025, 242 Seiten, 29 Euro.