Foto: KNA
Eine Krankenschwester steht auf dem Flur eines Krankenhauses in Bad Honnef an einem Visitenwagen und pflegt Daten in einen Computer ein.
Digital, aber sozial
Von: Birgit Wilke und Volker Hasenauer | 27. Januar 2019
Pflegeroboter, Online-Beratung, Ehrenamtlichensuche per App – mit ihrem Schwerpunktthema 2019 will die Caritas die Debatte um eine Digitalisierung anstoßen, die sich auch an Hilfsbedürftigen orientiert.
„Offline würden wir niemals mit so vielen suizidgefährdeten Jugendlichen in Kontakt kommen wie online“, sagt Jakob Henschel. Etwa 1200 „Klienten“ suchten im vergangenen Jahr den anonymen Austausch mit einem von rund 200 ehrenamtlichen Beratern des Projekts „U25“, erzählt Henschel, Mitarbeiter für das Angebot der Caritas, das versucht, diesen Jugendlichen zu helfen.
Und auch beim internen Austausch von Mitarbeitern will die Caritas stärker auf die neuen digitalen Möglichkeiten setzen, etwa beim Ausbau des Caritas-Intranets. „Wir brauchen eine neue Kultur des Teilens von Informationen“, sagt der Koordinator der digitalen Agenda beim Caritasverband, Johannes Landstorfer.
Bereits seit 2001 gibt es das Beratungsangebot U25. Und in den vergangenen Jahren sind unter dem Dach der Caritas zahlreiche weitere Beratungsbereiche online gegangen: für Suchtkranke oder Senioren, bei Schulden oder schwierigen Schwangerschaften, bei Krankheit oder Fragen der Kindererziehung.
2019 will der Caritasverband mit seiner am 16. Januar in Berlin vorgestellten Jahreskampagne „sozial braucht digital“ bundesweit auf neue Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung im Sozialbereich aufmerksam machen. Schließlich revolutionieren Apps, Tablets und digitale Plattformen auch Arbeitsabläufe in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Beratungsstellen.
Die Themenbreite der Caritas-Initiative ist sehr groß: Erste Caritas-Pflegeeinrichtungen in München testen Roboter, die Alten oder Behinderten Getränke reichen können. Ambulante Pflegerinnen sollen mittels Tablet und intelligenter Software von Bürokratie entlastet werden, um mehr Zeit für ihre Patienten zu haben. Im Altenheim liefert Youtube die passenden Hits für das Wunschkonzert der Bewohner. In Osnabrück sucht die Caritas per App nach ehrenamtlich Engagierten. In Dresden kümmern sich Caritas-Mitarbeiter auch Online um Suchtkranke.
Präsident Neher sieht digitale Transformation
Auch die gestiegenen Anforderungen an den Datenschutz sind zu diskutieren. Wie können beispielsweise besonders sensible Informationen über Pflegebedürftige, Behinderte oder Sterbende bestmöglich geschützt werden und dabei gleichzeitig für alle am Hilfsprozess Beteiligten abrufbar sein?
Caritaspräsident Peter Neher spricht von einer „digitalen Transformation“. Deshalb will der Verband noch in diesem Jahr eine neue digitale Beratungsplattform starten, die eine Anschubfinanzierung vom Bundesfamilienministerium erhält. Auch die anderen Wohlfahrtsverbände, die derzeit ebenfalls an digitalen Angeboten arbeiten, sollen von dem neuen Tool profitieren.
Neher betonte, der Caritas sei es wichtig, dass weiterhin fachlich kompetente Mitarbeiter die Online-Beratungen leisten und der Ratsuchende nicht „an irgendein Call-Center weitervermittelt wird“. Zudem könne jeder, der sich online meldet, bei der Caritas sicher sein, dass seine Daten anonym bleiben: „Bei uns gibt es keinen geheimen Algorithmus.“
Das hat seinen Preis: Der Aufbau digitaler Infrastruktur im Sozialbereich sei nicht kostenfrei zu haben, argumentiert Neher. Der Sozialverband stehe vor großen Herausforderungen: Gewohnte Strukturen, Hierarchien und Finanzierungsmodelle müssten sich ändern. Dabei sieht die Caritas auch den Gesetzgeber in der Pflicht, bei der Refinanzierung von sozialen Diensten flexiblere Rahmenbedingungen zu schaffen.
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