Foto: Rolf Lorig
Gemeinsam freuen sich Pastor Georg Goeres und Maria Schweich in St. Laurentius über das große Interesse an den Arbeiten.
Brücke zwischen einst und heute
Von: Rolf Lorig | 10. April 2022
Saarburg:
Ein „Kreuzweg zum Aufklappen“ in der Saarburger Kirche St. Laurentius zeigt die Leidensstationen Christi in unterschiedlichen Versionen: in Gemälden aus dem 19. Jahrhundert sowie in Bildern, die Kinder und Erwachsene von heute gemalt haben.
Maria Schweich widmet sich nach ihrem Berufsleben als Physiotherapeutin und Geschäftsführerin eines Fliesenbetriebs der Bildenden Kunst. In Longuich hat die gläubige Katholikin ein Atelier, wo kunstinteressierte Besucher häufig das Gespräch mit ihr suchen. In den letzten Jahren konnten sie dort „Upcycling“ erleben – ein Begriff, der beschreibt, wenn aus Altem etwas Neues entsteht.
Alles begann vor etwa vier Jahren. Zufällig kam Schweich mit ihrer Enkelin an der Pfarrkirche St. Laurentius vorbei. Dort warteten großformatige Bilderrahmen auf ihre Entsorgung. Die Rahmen befanden sich in schlechtem Zustand und enthielten zerschnittene Öldrucke, die den Kreuzweg Jesu zeigten.
„Viel zu schade zum Wegwerfen, das müsste man aufarbeiten“ – dachte die Künstlerin und machte sich auf zum Pfarrhaus. Dort traf sie einige Damen vom Pfarrgemeinderat, denen die Idee gefiel. Und damit konnte ein Projekt beginnen, das so wohl einzigartig sein dürfte. Eine reine Rekonstruktion war wegen der Schäden nicht mehr möglich, also sollte etwas entstehen, das alte, scheinbar unbrauchbare Dinge in etwas gänzlich Neues überführt. Doch zuvor galt es, das Alter der Bilder zu ermitteln. Die Expertise überraschte: Rahmen und Öldrucke waren 132 Jahre alt.
Hinter alten Werken verbergen sich neue Motive
Während die Kleinen für die Rahmen Engelsflügel-Verzierungen aus Gips gossen und diese später mit Gold bemalten, dublierten erfahrene Restauratoren nach der Grundreinigung die Leinwände – dabei kommt eine neue unter die alte, und beide werden auf eine Holzplatte geklebt. Ein Scharnier verbindet diese mit dem alten Rahmen. Als Betrachter kann man den alten Druck wie eine Tür wegklappen und ins Innere des Rahmens sehen, in dem sich quadratische und gleichfalls gerahmte Bilder, Fotografien, Drucke und Objekte mit religiösen Motiven befinden.
Wie kam es zu den neuen Kunstwerken? „Wir haben unsere Arbeit unter das Thema ‚Sein Kreuzweg früher … Mein Kreuzweg heute …‘ gestellt“, antwortet Schweich. Jeder habe zuweilen an einem persönlichen Kreuz zu tragen. „Nicht jeder hat zur Kirche eine gute Beziehung. Die hier mitgemacht haben, erhielten darüber aber wieder eine ganz andere, persönliche Sicht auf die Dinge.“
Nach Fertigstellung der 14 Objekte, die die Künstlerin als Brücke zwischen dem Glauben der früheren und der heutigen Zeit betrachtet, brauchte es einen Ausstellungsort. Da die Kirche in Longuich für eine Ausstellung zu klein war, kam Saarburg zum Zug – die Geburtsstadt der Künstlerin. „In St. Laurentius hatte ich vor knapp zwei Jahren eine Ausstellung von Marc Chagall erlebt – für mich war klar, dass dies der richtige Ort sein könnte.“
Doch zuvor galt es Pastor Georg Goeres zu überzeugen. Der schaute sich die Werke im Longuicher Atelier an und war von der Idee beeindruckt. Die Ausstellung sei ein Stück weit ein Spiegel: „Da findet sich die alte Kirche, die ziemlich ramponiert ist. Doch mit der nach wie vor vorhandenen Aussagekraft führt sich der Gedanke fort zu etwas Neuem – für unsere Zeit etwas sehr Passendes.“
Der Pfarrer zollt der Initiatorin Hochachtung: „Das muss ein Pfarrer erst einmal schaffen, dass sich 100 Menschen aktiv mit dem Kreuzweg beschäftigen.“ Bei der Eröffnung der Ausstellung am ersten Fastensonntag füllten gut 80 Besucher die Kirche. Goeres: „Bei einer klassischen Kreuzwegandacht wären lediglich die üblichen sieben Verdächtigen da gewesen.“ Er nehme wahr, dass die Menschen nun länger in der Kirche blieben und sich von den Eindrücken einfangen ließen.
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