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Vatikan- und Politikberaterin: Don-Bosco-Schwester Alessandra Smerilli.
Die klugen Entscheider unterstützen
Von: Roland Juchem/KNA | 6. September 2020
Alessandra Smerilli ist Ordensfrau, promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin und Vatikanberaterin. Derzeit koordiniert die 45-Jährige die Impulse des Vatikans für eine nachhaltigere Wirtschaft nach der Corona-Pandemie. Roland Juchem von der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) hat mit ihr gesprochen.
Schwester Alessandra, Sie gehören der vatikanischen Covid-Kommission an, die sich mit Folgen der Pandemie befasst. Über Chancen eines wirtschaftlichen und sozialen Neustarts nach dem Lockdown wurde früh gesprochen. Gibt es dafür Anzeichen oder ist das nur ein Wunsch?
Ich glaube schon, dass Veränderung möglich ist. Aber die geschieht nicht von allein. Wir tendieren dazu, zum gewohnten Lebensstil zurückzukehren. Dabei hat die Pandemie bereits Veränderungen verstärkt. Studien zufolge hat in den acht Wochen des Lockdown die Digitalisierung der Arbeitswelt Fortschritte gemacht, für die es sonst fünf Jahre gebraucht hätte. Für andere Veränderungen, die sich alle wünschen – saubere Umwelt, mehr soziale Gerechtigkeit – brauchen Regierungen, Unternehmen Impulse und Hilfen, Entwicklungen entsprechend zu kanalisieren.
Die geben Sie?
Ja, wir versuchen, solche Prozesse anzustoßen und zu unterstützen. Dazu arbeiten wir international mit Wirtschaftswissenschaftlern, Unternehmern, Beratungsfirmen, um die wichtigsten Entscheider zu erreichen. Es geht darum, vor allem den Armen und den in der Pandemie Vergessenen eine Stimme zu geben. So hat etwa der Papst gemahnt, öffentliche Gelder sollten nicht an Unternehmen vergeben werden, die nicht inklusiv und nachhaltig arbeiten.
Versucht derzeit nicht jede Regierung, jedes Unternehmen, aufkommenden Unmut mit Maßnahmen zu besänftigen, die oft alles andere als nachhaltig sind?
Ja, das stimmt. Daher braucht es weise Entscheider; die wollen wir unterstützen. Europa etwa hat mit dem „New Green Deal“ eine klare Strategie. Es gibt derzeit allerdings viele Lobbygruppen, die nachhaltige Entwicklungen behindern; sie drohen damit, dass Unternehmen dann Mitarbeiter entlassen müssten. Es gibt aber Studien, die genau vorhersagen, wo welche Arbeitsplätze verloren gehen und wie man Leute schulen und unterstützen muss, damit sie anderswo Arbeit finden. Dazu gilt es deutlich zu sagen, was dem Gemeinwohl dient und welche Schritte dafür zu tun sind.
Sie wurden von Italiens Gleichstellungs- und Familienministerin Elena Bonetti auch in eine Beratungskommission berufen, die nur aus Frauen besteht. Wie ist die Situation für Frauen nach sechs Monaten Pandemie?
Unsere Daten zeigen: Frauen sind sozial wie wirtschaftlich stärker betroffen. Während des Lockdown, als alle zu Hause bleiben mussten, haben nur 55 Prozent der Männer zu Hause mehr Aufgaben übernommen als sonst. In knapp der Hälfte aller Familien blieben Hausarbeit sowie die Betreuung der Kinder bei Onlineunterricht an den Frauen hängen – neben der eigenen beruflichen
Arbeit. Sollten im Herbst die Schulen nicht wieder normal beginnen, werden sehr viele Frauen nicht wieder arbeiten. In Italien ist dies ein besonderes kulturelles Problem.
Arbeit. Sollten im Herbst die Schulen nicht wieder normal beginnen, werden sehr viele Frauen nicht wieder arbeiten. In Italien ist dies ein besonderes kulturelles Problem.
Ist es in Italien größer als in anderen Staaten?
Ja. Im Index des Gender-Pay-Gap, der unterschiedlichen Entlohnung von Frauen und Männern bei gleicher Tätigkeit für 144 Staaten weltweit, liegt Italien weit hinten: 120 Staaten sind da besser aufgestellt als wir.
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