Die Präsidentenwahl und die aktuelle politische wie religiöse Lage des Landes haben den Besuch einer Delegation des Bistums Trier in der Ukraine vom 22. bis 26. Mai geprägt.
Zur Reisegruppe gehörten Prälat Werner Rössel, der Bischofsvikar für weltkirchliche Aufgaben, Prälat Franz Josef Gebert als Vorsitzende des Diözesan-Caritasverbandes sowie Ludwig Kuhn von der Diözesanstelle Weltkirche, der Diözesanverantwortliche für Renovabis.
Ziel des Besuchs war neben der Hauptstadt Kiew die Erzdiözese Ivano-Frankivsk im Westen der Ukraine, zu der es seit der politischen Wende 1991 eine intensive Zusammenarbeit insbesondere beim Aufbau der Caritas und bei der Arbeit der Malteser gibt.
Bei der Reise im Rahmen der langjährigen Kooperation ging es bei allen Begegnungen auch um die aktuelle Krise des Landes und die weitere politische sowie gesellschaftliche Entwicklung. Am 25. Mai, dem Tag der Präsidentenwahl, erlebte die Delegation in Ivano-Frankivsk, mit welch hoher Beteiligung und Erwartung die Menschen von ihrem Wahlrecht gebraucht machten. Beim Besuch eines Wahllokals kurz vor Ende der Abstimmung erklärte eine Wahlleiterin, dass etwa 70 Prozent der Stimmberechtigten ihre Stimme abgegeben hätten.
Am Ende setzte sich landesweit der favorisierte Unternehmer Petro Poroschenko bereits im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit durch. Mit ebenfalls deutlichem Vorsprung wurde Ex-Boxprofi Vitali Klitschko in Kiew zum neuen Bürgermeister gewählt.
Der Besuch der Gäste löste bei den Wahlverantwortlichen Freude und Wertschätzung aus. Sie äußerten die Erwartung, dass die Wahlen politische Prozesse mit wirklicher Beteiligung ermöglichten und die Wahlsieger einen nachhaltigen, sozial gerechten Aufbau des Landes anstrebten.
Bei zahlreichen Gesprächen und Begegnungen wurde deutlich, dass das politische und soziale Engagement der griechisch-katholischen Kirche in der Umbruchszeit seit Ende 2013 deren Ansehen gestärkt habe.
Roman, ein junger Seminarist aus Kiew, verwies auf die Präsenz der Kirche auf dem Maidan, dem Ort und Zentrum der Proteste gegen die Regierung und den Machtmissbrauch von Präsident Janukowitsch. So hatten die Malteser aus Iwano-Frankivsk während der Proteste mit ihrer Feldküche über Wochen tägliche Tausende Mahlzeiten ausgegeben. Dabei wirkte unter anderem auch die 18-jährige Almuth Müller aus St. Ingbert mit, die über das Bistum Trier derzeit bei den ukrainischen Maltesern einen Sozialen Friedensdienst im Ausland absolviert (der „Paulinus“ berichtete mehrfach).
Außerdem beteiligten sich Vertreter der Kirche auf der Bühne des Platzes, wo man zudem gemeinsam mit anderen Konfessionen einen Kapellen- und Gebetsraum eingerichtet hatte.
Bei einem Gespräch der Trierer mit Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk (Erzbistum Kiew-Halytsch), dem Oberhaupt der mit Rom unierten griechisch-katholischen Kirche der Ukraine, betonte dieser die große Bedeutung der Präsidentenwahl für eine positive Entwicklung des Landes. In einem Hirtenbrief hatten die Bischöfe auf ethische und gesellschaftliche Kriterien für die Entscheidung hingewiesen und von der Wahl von Kandidaten abgeraten, die korrupt seien oder Stimmen kaufen wollten.
Schewtschuk erklärte, er blicke mit mehr Hoffnung als Sorge in die Zukunft. Er betonte, die Krise in der Ukraine sei nicht von Konflikten zwischen den Konfessionen und Religionen ausgelöst worden und zeuge auch nicht von einem Gegeneinander verschiedener Bevölkerungsgruppen. Die überwiegende Mehrheit der Ukrainer wolle friedlich miteinander leben. Die Situation zeige, dass es nicht gelungen sei, von außen – damit meinte er von russischer Seite – einen Bürgerkrieg zu provozieren.
Viele Gesprächspartner der Reisegruppe aus dem Bistum Trier äußerten allerdings ihre Sorge und Ohnmacht angesichts der Gewalt durch bewaffnete Separatisten im Osten des Landes (Bericht folgt).