Eine fünfköpfige Familie ohne eigenes Auto? Geht heutzutage gar nicht mehr, meinen sicher viele. Johannes Hill, seine Frau Siglinde und die drei Kinder können da nur schmunzeln. Denn für sie ist die „autofreie Familie“ das Normale.
Nein, ein eigenes Auto für sich alleine habe er noch nie besessen, sagt Johannes Hill. Früher teilte er sich einen Ford und dann einen alten Golf mit seinem Bruder. Ansonsten aber besitzt er seit 40 Jahren eine Jahreskarte der Stadtwerke Trier. Zu Fuß, per Bus und Bahn oder mit dem Fahrrad – das sind die wesentlichen Fortbewegungsarten des 52-jährigen, der seit 1989 als Umweltberater der Stadt Trier gerade auch in Sachen „ohne Auto mobil“ viele Initiativen mit angestoßen hat.
Mit Blick auf das letzte halbe Jahr allerdings wendet sich Hill noch intensiver als zuvor gegen eine Verteufelung des Autos. Für mehrere Monate war er nach einem schweren Fahrrad-Unfall in einem Luxemburger Krankenhaus und in der Reha. „Gott sei Dank haben meine Eltern ein Auto und liebe Freunde waren ebenfalls bereit, meiner Frau ihr Fahrzeug zu leihen. Ansonsten wären die täglichen Besuche bei mir unmöglich gewesen.“
Also keine grundsätzliche Ablehnung des Automobils? Johannes Hill antwortet mit einem klaren Nein. Ihm gehe es um effiziente Energienutzung in allen Lebensbereichen. „Carsharing etwa auch unter Nachbarn ist ein Thema, das viel intensiver diskutiert und praktiziert werden müsste“, meint der gebürtige Trierer-Ehranger, der schon als Kind und Jugendlicher auf öffentliche Verkehrsmittel und seine Füße angewiesen war.
So lernte er über Jahrzehnte deren Vorzüge zu schätzen: Vorbereiten auf Termine, abschalten nach der Arbeit und der entspannte Blick auf die Veränderungen der täglichen Strecke – für Johannes Hill große Pluspunkte beim ÖPNV. „Ich kann eine Menge nennen, was sich in den letzten 42 Jahren entlang der Linie 8 getan hat.“
Aber mal ehrlich, wie funktioniert beispielsweise die Versorgung der Familie ohne Auto für den Wocheneinkauf? Johannes Hill nennt das Stichwort Lieferservice. Getränke, Biogemüse, Bioobst, Milchprodukte, Brot, das alles wird jede Woche von den jeweiligen Händlern an die Haustür gebracht. Und wenn mal etwas fehlt, macht Siglinde Hill nach der Arbeit auf dem Weg zur Bushaltestelle einen Schlenker ins Geschäft. „Dieses Leben ohne eigenes Auto ist natürlich nur möglich, wenn die ganze Familie mitmacht“, betont der Umweltberater.
Für die drei Hill-Kinder war das „Kutschiert-werden“ durch die Eltern aber bislang auch noch nie ein Thema. 16, 14 und 12 Jahre alt kennen sie ihre Fahrpläne für Bus und Bahn auswendig, wissen bestens Bescheid, mit welchem Verkehrsmittel zu welcher Zeit die Freunde auch in den entlegenen Winkeln der Region zu erreichen sind. Sogar den Transport eines Schultrampolins aus der Stadt nach Hause, hätten die jüngste Tochter und ihre Freundin mit Bus und Bahn bewerkstelligt, erzählt der Vater lachend. Sollte es dann doch mal ganz eng werden, ist alles eine Frage der Organisation.
Die war vor allem während der langen Umbauzeit am Haus gefragt. „Schon die Zeit mit Kinderwagen und kleinen Kindern war recht anspruchsvoll“, erinnert sich Johannes Hill und ergänzt: „Die Baustelle ohne Auto aber erforderte sehr viel gutes Organisationstalent.“ Trotzdem habe die Familie lieber in einen Kachelofen als in ein Auto investiert. Über Jahre allerdings waren Absprachen mit Eltern und Freunden, genaue Planung, was die Baufirma mitbringen müsste, was der Baumarkt in einer Lieferung zusammenpacken kann, angesagt. An dieser Stelle betont Hill nochmals, dass „wir kein eigenes Auto haben, durchaus aber gerne Auto fahren“.
In der Regel aber werden alle Schul-, Arbeits- und Freizeitwege mit ÖPNV oder per pedes zurückgelegt. Dabei fällt dem Mitarbeiter der Stadt Trier dann auch auf, wie dramatisch mancher Fußweg vernachlässigt ist, wie sich die Kommunikationskultur im Bus von ehemals sehr laut auf totenstill im SMS-Zeitalter verändert hat.
Und er bemerkt, dass für die Familie der traditionelle sonntägliche „Kirchgang“ eine ganz andere Bedeutung hat, als für viele andere. „Wir sind regelmäßig gemeinsam unterwegs, pilgern sozusagen als Familie zum Gottesdienst und zurück.“ Rechtzeitig losgehen, unterwegs miteinander sprechen und auch nach der Messe etwa die Predigt zu reflektieren seien schöne Vorteile. Und nach dem Gottesdienst werden oft Ausflüge in die Region unternommen mit Bus, Bahn oder Rad.
Jedes Familienmitglied hat natürlich ein verkehrstaugliches Fahrrad, Vater Hill besitzt gar drei Zweiräder, darunter ein Pedelec, mit dem er im letzten Jahr zwischen April und dem Unfall im September tagtäglich zur Arbeit und zurück fuhr. „Im Gegensatz zum Elektrorad muss man beim Pedelec immer mittreten. Bei Anstiegen aber bietet es eine große Erleichterung.“ Derzeit muss sich Johannes Hill allerdings noch etwas gedulden, bevor er sich wieder auf seinen Drahtesel schwingen und losradeln kann.
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