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Niko Paech: Weniger ist mehr

Foto: KNA
Ohne radikale Abkehr vom Glauben ans Wirtschaftswachstum werden wir nicht überleben, sagt Niko Paech, hier beim Kirchentag 2011 in Dresden.

Niko Paech: Weniger ist mehr

Von: Bruno Sonnen | 17. August 2014
Seine Vorträge sind gefragt wie nie. Er gibt Interviews, diskutiert auf Kirchen- und Katholikentagen. Dabei ist er ein Radikaler: Niko Paech.

Regensburg 2014. Auf einem Podium des Katholikentags wird Niko Paech gefragt, ob man „den Leuten“ wirklich so unverblümt und unmissverständlich sagen könne, dass sie ihr Leben radikal ändern müssen, ob es nicht besser sei, die unschöne Botschaft irgendwie schöner zu verpacken, damit sie besser ankomme.

Die Antwort kommt zwar in freundlichem Ton daher, aber sie ist klar, und sie ist typisch für Paech. Die Menschheit stehe an einem Punkt, sagt er, wo sie noch die Möglichkeit des „learning by design oder learning by desaster“ habe, also: Entweder wir lernen unsere Lektion durch bewusste Gestaltung und Veränderung oder wir lernen sie durch die Katastrophe, die unweigerlich kommt, wenn wir weitermachen wie bisher.

Dr. Niko Paech ist Volkswirt und Professor am Lehrstuhl für Produktion und Umwelt an der Universität Oldenburg. Spätestens nach dem Erscheinen seines Buches „Befreiung vom Überfluss“, in dem er 2012 den Weg in die „Postwachstumsökonomie skizziert hat, gehört er zu den bekanntesten Wachstums- und Lebensstilkritikern Deutschlands. Allein auf der Homepage der „Vereinigung für Ökologische Ökonomie“ sind zwischen Mai und November 2014 rund 50 Vortragstermine von ihm aufgelistet.

Vordenker der Postwachstumsökonomie

Paech, geboren am 9. Dezember 1960 im niedersächsischen Schüttorf, studierte Volkswirtschaft an der Universität Osnabrück und gilt heute als Vordenker der Postwachstumsökonomie. 2014 wurde er mit dem „Wissen“-Preis der Zeitung „Die Zeit“ und der Initiative „Mut zur Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet. Als „Prophet des Weniger“ mache sich Paech „Gedanken um die Zeit nach dem grenzenlosen Wachstum und dem dafür notwendigen Strukturwandel“, hieß es in der Begründung der Jury, und: „Er blickt damit über das bestehende ökonomische System hinaus und vertritt die Meinung, dass die Welt nur noch zu retten sei, wenn niemand mehr über seine Verhältnisse lebt.“

Mit Postwachstumsökonomie ist, sehr vereinfacht, eine Wirtschaft gemeint, die ohne Wachstum der Produktion auskommt, also zur Versorgung des menschlichen Bedarfs nicht auf Wirtschaftswachstum angewiesen ist, sondern sich durch Wachstumsrücknahme auszeichnet. Das sei nicht nur möglich, sondern auch nötig, um die globale ökologische Katastrophe noch abzuwenden, erklärt Paech.

Was das konkret bedeutet, wird schon anhand weniger Zahlen klar: Jeder Erdenbürger darf nur rund 2,7 Tonnen CO2 im Jahr verbrauchen, wenn sich das Klima bis zum Ende des Jahrhunderts nicht um mehr als zwei Grad erwärmen soll. Derzeit kommt jeder Bundesbürger auf etwa elf Tonnen im Jahr. Und dieser Wert „kommt nicht von mir oder irgendwelchen Ökofreaks, sondern vom wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderung“, betont Paech. Um dieses Ziel zu erreichen, bringe es auch nichts, auf „grünes“ oder „nachhaltiges“ Wachstum zu setzen, es müssten vielmehr schlicht weniger Umwelt und Ressourcen verbraucht werden.

„Durch die E-Bikes ist kein bisschen Autoverkehr reduziert, aber eine komplementäre Industrie geschaffen worden, die mit Plastiktachos und Spezialkleidung jeden Konsumentenwunsch erfüllt“, hat Paech kürzlich in einem Gespräch mit der Zeitschrift „Schrot & Korn“ an einem Beispiel deutlich gemacht, was er meint. Oder: „Was hilft ein Passivhaus, wenn ich damit nur mein schlechtes Gewissen wegen all der Flugreisen entlaste, die ich unternehme? Ich muss den gesamten Lebensstil eines Individuums betrachten.“

Entschleunigung muss her

Paech betont, dass der Ressourcenverbrauch nicht nur ökologisch schädlich ist, sondern die Menschen auch psychisch überfordere. „Mittlerweile haben wir derart viele Möglichkeiten des Konsums geschaffen, dass uns keine Zeit bleibt, die Dinge auch zu genießen“, sagt er, Entschleunigung müsse her.

Dazu gehörten unter anderem auch die Reduzierung der Arbeitszeit auf eine 20-Stunden-Woche, mehr Zeit für den Selbstanbau von Obst und Gemüse oder das Reparieren von Gütern („Hosen flicken statt immer neue kaufen“). Das Ganze hat auch noch etwas mit Gerechtigkeit zu tun. Unseren Wohlstand „können wir uns nur leisten, weil die Inder und Chinesen so geringe Löhne haben. Die eigentliche physische und schmutzige Produktion haben wir einfach ausgelagert.“

Und der Professor selbst? Versucht auch er in seinem persönlichen Leben mit möglichst wenig Konsum auszukommen, Bahn statt Flieger, kein Smartphone, engagiert sich in der Repairbewegung. Ganz zufrieden ist er damit noch nicht. Er würde gern weniger arbeiten und mehr Zeit haben, Saxophon zu spielen.

  • Buch-Tipp
    Niko Paech, Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie, 144 Seiten, Oekom, München 2012, 14,95 Euro.



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