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Wohin geht die Reise? Papst Franziskus vor dem Gipfel in Rom.
Vielfältige Problemlagen
Von: Ludwig Ring-Eifel | 17. Februar 2019
Aus fast allen Ländern der Welt kommen in wenigen Tagen die Spitzen der Kirche in Rom zusammen. Der „Missbrauchsgipfel“ steht an.
Wer in einem katholischen Bistum in den USA oder Kanada sexuelle Übergriffe durch kirchliche Mitarbeiter auf Minderjährige per Internet melden will, braucht dafür nur wenige Klicks. In fast jedem Bistum stehen Begriffe wie „Kinderschutz“ oben oder unten auf der Homepage. Ein Klick öffnet eine Seite, die dann die Anzeige eines Missbrauchsfalls an staatliche oder kirchliche Stellen (oder beide) ermöglicht. Daneben informieren Bistümer und Gemeinden umfassend über sexuelle Gewalt, Prävention und Strafnormen und über die Namen kirchlicher sowie unabhängiger Berater.
Dass die nordamerikanischen Ortskirchen heute vorbildlich mit dem Thema Missbrauch umgehen, hat mit leidvollen Erfahrungen aus den letzten drei Jahrzehnten zu tun. Investigative Journalisten hatten in den 1990er und Anfang der 2000er Jahre das Schweigen durchbrochen und hunderte Fälle sexuellen Missbrauchs ans Licht gebracht. Der Skandal im Erzbistum Boston wurde 2002 zum Fanal: Erstmals musste mit Kardinal Bernard Law einer der mächtigsten Erzbischöfe der Weltkirche zurücktreten, der einen Kinderschänder im Priestergewand mehrfach versetzt hatte, statt ihn aus dem Verkehr zu ziehen.
Dank der Enthüllungen übernahm die US-Bischofskonferenz eine Führungsrolle bei der Verfolgung und Vorbeugung von sexuellem Missbrauch. Je mehr Bischöfe sich dem Problem stellten, desto klarer erkannten sie, dass es weit mehr gab als nur Einzelfälle. Das Wort von den „systemischen“ Gründen machte die Runde. Die „Kultur des Schweigens“ müsse durchbrochen werden.
In Deutschland trat 2010 zuerst in Berlin und dann an anderen Orten zutage, dass das Vertuschen und Versetzen auch in Deutschland über Jahrzehnte funktionierte. Das ganze Ausmaß kam erst 2018 ans Licht, als eine Studie mehr als 3677 mutmaßliche Missbrauchsfälle aus einem Zeitraum von rund 100 Jahren beleuchtete.
Dass die meisten deutschen Bistümer inzwischen konsequent gegen Missbrauch vorbeugen und die seither drastisch zurückgegangenen Fälle konsequent verfolgen, hat ihnen unlängst der Präsident des Kinderschutzzentrums an der Päpstlichen Universität Gregoriana, Hans Zollner, in einem Interview bescheinigt.
Dass es dazu kam, hat mit hartnäckigen Medien, aber auch mit Geld zu tun. Die meisten Bistümer in Deutschland verfügen im weltweiten Vergleich über enorme Einkünfte und können sich Personalstellen für Präventionsbeauftragte und kostspielige Schulungen aller Mitarbeiter leisten. Hinzu kommt eine andere Mentalität in der Öffentlichkeit, die Geistlichen nicht mehr mit Ehrfurcht begegnet und mutmaßliche Täter in Schwarz nicht mehr mit dem Mantel des Schweigens schützt.
In anderen Ländern Europas sieht das noch ganz anders aus. Ob Spanien, Portugal, Italien oder Polen – auf den Internetseiten großer Bistümer sucht man vergeblich nach dem Stichwort „Kinderschutz“. Immerhin gibt es seit 2012 Leitlinien der Italienischen Bischofskonferenz zum Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch und erst seit zwei Wochen eine landesweite kirchliche Fachstelle für Kinderschutz.
Die Weltkirche und die Unterschiede in der Welt
Nochmals anders stellt sich die Situation in einigen asiatischen Ländern wie Thailand oder den Philippinen dar, wo Sex mit Minderjährigen im 20. Jahrhundert legal war. In Afrika wiederum spielen kulturell andere Vorstellungen von sexueller Reife und Volljährigkeit eine Rolle.
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