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Papst Franziskus beim Neujahrsempfang mit dem Diplomatischen Korps am 9. Januar im Vatikan.
Dialog und Selbstbeherrschung
Von: Roland Juchem | 19. Januar 2020
Hält der Papst seine Neujahrsansprache vor Diplomaten, blickt er rund um die Welt. Schwerpunkte, Auslassungen und Kritik sind meist fein dosiert. Dialog und Hoffnung hingegen sind Konstanten bei Franziskus – das war auch am 9. Januar 2020 so.
Die Sala Regia, der Königssaal, ist sicher einer der vornehmsten Räume im Apostolischen Palast. Hier lädt das Oberhaupt der katholischen Weltkirche die Botschafter aus 183 Staaten zum Neujahrsempfang – und schildert ihnen seine Sicht auf die Weltlage. Franziskus spricht an diesem 9. Januar zügig, schneller als sonst. Bei den Stichworten Libyen und Klimawandel legt er Nachdruck in Stimme und Blick. Die Dringlichkeit einer ökologischen Umkehr scheine von der internationalen Politik immer noch nicht erfasst, bisherige Antworten „noch sehr schwach und besorgniserregend“. Ausdrücklich lobt er das Engagement junger Menschen.
Bei Libyen scheint ihm für einen Moment die Stimme zu stocken. Das Land sei ein „fruchtbarer Boden für die Geißel der Ausbeutung und den Menschenhandel“, sagt Franziskus. Viele dort endeten als „Beute organisierter Kriminalität, die sie unter unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen wie auch unter Folter, sexueller Gewalt und Erpressung gefangen hält“.
Angesichts zunehmender nationaler Egoismen mahnt der Papst auffallend oft zu Multilateralität und zur Einhaltung internationalen Rechts, auch als er den Iran-USA-Konflikt erwähnt. Der sei „besonders besorgniserregend“ und könne „die Basis eines umfangreichen Konflikts von größerem Ausmaß werden“. Er erneuert seinen Appell, „Dialog und Selbstbeherrschung“ zu wahren, und fügt hinzu: „unter voller Achtung der internationalen Rechtsordnung“. Dabei schaut er in den Saal, als suche er den Blick von US-Botschafterin Callista Gingrich und Irans Vertreter Seyed Taha Hashemi.
Der päpstliche Rundblick in das begonnene Jahr 2020 folgt den Stationen des Vorjahres: dem Weltjugendtag in Panama und der Bedeutung der Jugend für die Gegenwart dieser Welt, die Reisen nach Abu Dhabi und Marokko mit dem interreligiösen Dialog. Franziskus fährt gedanklich noch einmal nach Südosteuropa, Afrika und Ostasien.
Den Anti-Missbrauchs-Gipfel Ende Februar und die Notwendigkeit des weiteren Kampfes gegen Missbrauch lässt Franziskus ebenso wenig aus wie die Amazonas-Synode. Oberstes Ziel päpstlicher Diplomatie, das hatte Franziskus gleich eingangs klargestellt, blieben „Frieden und ganzheitliche menschliche Entwicklung“.
Mehrfach erinnert er Europa an seine guten Seiten, um die die Welt es oft beneide. Das europäische Projekt sei weiter „eine wesentliche Garantie der Entwicklung für alle, die seit längerem daran teilnehmen“, betont der Papst. Und für Länder, die in die EU wollen, sei es „nach turbulenten Konflikten und Verwundungen eine Gelegenheit zum Frieden“. Den 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer erwähnt er, weil die Mauer „ein Sinnbild für eine Kultur der Teilung“ bleibe – einer Teilung, die heute in neuer Form bestehe und „Gewalt die Türen öffnet“.
China und Hongkong lässt er aus
Was auffällt: China und Hongkong erwähnt der Papst mit keinem Wort. Nicht mal andeutungsweise nähert er sich dem Reich der Mitte, obschon er von seinen Besuchen in Thailand und Japan erzählt. Im Rückgriff auf seineAnsprachen in Nagasaki und Hiroshima wiederholt er seine Verurteilung der Atomwaffen, spricht aber nur davon, dass der „Einsatz“ beziehungsweise „Gebrauch“, nicht aber schon der alleinige „Besitz“ von Nuklearwaffen unmoralisch sei.
Begonnen hatte Franziskus seine Rede, indem er angesichts des eher schlechten Starts von 2020 die Hoffnung beschwor. Sie, die jeden Realismus und Mut übersteige, möge den Blick auf die Welt und ihren weiteren Weg beflügeln. Da bleibt Franziskus unerschütterlich.
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