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Überleben auf den Straßen von Manaus

Foto: Florian Kopp
Sozusagen als „selbstständige Kleinstunternehmer“ ziehen Jesús (vorn) und Rossmary durch die Straßen.

Überleben auf den Straßen von Manaus

Von: Philipp Lichterbeck | 5. Dezember 2021
20 000 Venezolaner sind vor politischer Verfolgung, Hunger und wegen der fehlenden Gesundheitsversorgung nach Brasilien geflohen. Ordensfrauen und kirchliche Einrichtungen sind ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Er mit dem Einkaufswagen, sie mit einem Karren aus Aluminium: So ziehen die Venezolaner Jesús Parra und Rossmary Gallardo durch die brasilianische Millionenstadt Manaus, um etwas Geld zu verdienen. Ihre Kinder, die fünfjährige Jessmary und der einjährige Keyler, sind immer dabei.

Mitten in der Nacht steht die Familie auf. Anstelle von Limonen, Orangen, Mangos und Avocados legt Jesús heute nur in Tütchen abgepackte Bananenchips in seinen Wagen. Er hatte kein Geld, um frische Früchte zu besorgen. Rossmary kocht Kaffee und füllt ihn mit viel Zucker in mehrere Thermoskannen.

Um zwei Uhr machen sie sich auf in die Dunkelheit einer Stadt, die neu für sie ist und deren Sprache und Regeln sie kaum kennen. Ihr Ziel ist der große Markt am Ufer des Amazonas. Zwischen Händlern, Verkäufern und Trägern bahnen sich Rossmary und Jesús ihren Weg. Immer in der Hoffnung, dass jemand einen Kaffee für einen Real (umgerechnet ca. 15 Cent) bei ihr bestellt oder ihm eine Tüte der frittierten Bananenchips als Snack abkauft.

Rund um den Markt von Manaus gibt es Hunderte Menschen wie Jesús und Rossmary. Sie alle versuchen, sich im informellen Sektor zu behaupten. Viele sind aus Venezuela geflüchtet. Schätzungen zufolge leben mittlerweile 20 000 Menschen aus dem nördlichen Nachbarland in der Großstadt.

„Alles ist besser als Venezuela“, meint der 28-Jährige. Er und die 22-jährige Rossmary haben Ende 2020 ihre Heimat verlassen. „Hambre!“, antworten sie auf die Frage nach den Gründen: „Hunger! Wir hatten nicht mehr genug Geld, um uns zu ernähren. Alles ist teuer in Venezuela, und die Preise steigen ständig“, sagt Jesús. Hinzu kam, dass Rossmary seit der Geburt ihres Sohnes unter Unterleibsschmerzen leidet. An eine medizinische Versorgung in Venezuela war nicht zu denken. „Es gibt keine Medikamente mehr“, sagt sie.

Er hatte genug von der Regierung Maduro

Aber es gibt auch politische Gründe für die Flucht: Als Techniker bei der venezolanischen Luftwaffe wartete Jesús russische Kampfhubschrauber. „Ich wollte der Maduro-Regierung nicht mehr dienen“, sagt er. Also desertierte er.

Mit dem Bus reiste das Paar 1600 Kilometer quer durch Venezuela. Sie bezahlten einen Schlepper, der sie nachts über die Berge der Grenzregion brachte. Als ihre Gruppe vor der Polizei flüchten musste, verloren sie ihre Tochter. Erst einige Stunden später fanden sie Jessmary wieder. Eine andere Flüchtlingsgruppe hatte die Fünfjährige gefunden. „Ich bin vor Angst fast gestorben“, erzählt Rossmary. Während der dramatischen Flucht löste sich auch noch die Sohle einer ihrer Turnschuhe. Sie trägt ihn noch immer, weil sie keine anderen Schuhe hat.

Um die Mittagszeit zählt das Paar ihre dürftigen Einnahmen. „Vor der Pandemie waren es manchmal 50 bis 80 Real pro Tag“, sagt Jesús, zwischen acht und zwölf Euro. Aber durch Corona seien die Einnahmen stark geschrumpft. Es sind einfach viel weniger Menschen unterwegs.


  • Adveniat-Weihnachtsaktion
    80 Prozent der Menschen in Lateinamerika und der Karibik leben bereits heute in den Städten. Und die Landflucht hält weiter an. Doch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft wird häufig enttäuscht. Das Leben der Indigenen, Kleinbauern und Klimaflüchtlinge am Stadtrand ist geprägt von Armut, Gewalt und fehlender Gesundheitsversorgung. Und wer arm ist, kann für seine Kinder keine gute Ausbildung bezahlen.

    Mit seinen Projektpartnern, etwa Ordensleute und pastorale Mitarbeiter, durchbricht Adveniat die Spirale der Armut: durch Bildungsprojekte in Pfarrgemeinden insbesondere auch für Frauen und Kinder, Menschenrechtsarbeit und den Einsatz für faire Arbeitsbedingungen.

    Unter dem Motto „ÜberLeben in der Stadt“ rückt Adveniat mit seiner diesjährigen Weihnachtsaktion die Sorgen und Nöte der armen Stadtbevölkerung in den Blickpunkt. Schwerpunktländer sind Mexiko, Paraguay und Brasilien. Die Eröffnung der bundesweiten Adveniat-Weihnachtsaktion fand am 28. November im Bistum Münster statt. Die Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember in allen katholischen Kirchen Deutschlands ist für Adveniat und die Hilfe für die Menschen in Lateinamerika und der Karibik bestimmt.

    Spendenkonto bei der Bank im Bistum Essen, IBAN: DE03 3606 0295 0000 0173 45 oder unter www.adveniat.de.
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Die nächste „Paulinus“-Leserreise führt vom 24. April bis 1. Mai nach Apulien in Italien. Der Stiefelabsatz Italiens lockt mit angenehmen frühlingshaften Temperaturen, einer beeindruckenden Landschaft sowie großer Geschichte und Kultur.


Lebensberatung im Paulinus

An dieser Stelle beantworten regelmäßig Lebensberaterinnen und -berater aus den Einrichtungen des Bistums Trier Fragen zu verschiedenen „Problemfeldern“ des Lebens, zum Beispiel aus den Bereichen Erziehung, Ehe oder Familie. Wenn Sie zu einem Problem Beratung oder Antworten suchen, können Sie sich entweder an die „Paulinus“-Redaktion, Postfach 3130, 54221 Trier, oder direkt an die Lebensberatungsstellen im Bistum Trier wenden. Viele Paulinus-Beiträge aus der Praxis der Lebensberater finden Sie im Paulinus-Archiv/Lebensberatung.


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