Foto: KNA
Papst Franziskus und Großscheich Ahmad al-Tayyeb unterzeichnen die gemeinsame Erklärung. Links Kronprinz Mohammed bin Zayed Al Nahyan.
Historischer Besuch
Von: Roland Juchem | 10. Februar 2019
In das christlich-islamische Verhältnis könnte der 4. Februar 2019 als historisches Datum eingehen. Ein Dokument von Papst und Großimam über „Brüderlichkeit“ ist ein Meilenstein – wie die größte Messe auf arabischem Boden.
120 000 Teilnehmer aus 100 Nationen, darunter 4000 Muslime: Die Messe, die Papst Franziskus am Morgen des 5. Februar im Stadion von Abu Dhabi feierte, ist die praktische Seite dessen, was er am Vorabend gemeinsam mit dem Groß-imam der Kairoer Al-Azhar-Universität, Ahmad al-Tayyeb, in einem wegweisenden Dokument über „Menschliche Brüderlichkeit“ erklärte und gelobte: Geschwisterlichkeit, Pluralität und gelebter Glaube in friedlichem Miteinander der Kinder des einen Schöpfers.
Dieses religiöse Dokument hat insbesondere in diesem Teil der Welt enorme politische Bedeutung. So klar, wie der Großimam und der Papst für Religionsfreiheit, Frauenrechte und Nachhaltigkeit werben, so deutlich, wie sie jegliche Gewalt und Extremismus im Namen Gottes, aber auch religionsfeindlichen Säkularismus und amoralischen Individualismus verurteilen, will das nicht jeder Machthaber oder traditionalistische Prediger hören, schon gar nicht, aber auch nicht nur im Nahen Osten.
Die Vereinigten Arabischen Emirate geben sich als Förderer und Schützer von Toleranz und Dialog, auch in Abgrenzung zum großen Nachbarn Saudi-Arabien. So haben die Emirate nicht nur kostenlos das Zayed-Sportstadion für die Papstmesse zur Verfügung gestellt. Auch für die zweitägige interreligiöse Konferenz über „Human Fraternity“ scheute man weder Kosten noch Mühen.
„Bruder und guter Freund“ – so nennen sich Franziskus und al-Tayyeb gegenseitig. Der Ägypter weicht während des Besuchs vom 3. bis 5. Februar kaum von der Seite des Papstes. Es ist ihre insgesamt fünfte Begegnung. In seiner Rede fordert al-Tayyeb, Christen müssten in der Region volle Bürgerrechte haben. Dafür erhält er ebenso Applaus wie für seine Kritik an westlichen Zerrbildern von Muslimen.
Am Abend des ersten Tages bekommen beide den „Human Fraternity Award“ überreicht, gestiftet von Abu Dhabis Herrschern, den Zayed. Während sanfte Musik und Weihrauchduft die kleine Arena vor dem Denkmal des Staatsgründers durchziehen und Papierschnipsel herabregnen, unterzeichnen das Oberhaupt der katholischen Kirche und der Vorsteher einer der wichtigsten Lehrautoritäten des sunnitischen Islam ihre gemeinsame Erklärung.
Die ist so brisant – zumindest in dieser Region –, dass ihre Veröffentlichung im Vorfeld nicht angekündigt wurde. Ihre Unterzeichnung sollte keinesfalls durch irgendeine politische Einflussnahme gefährdet werden. Gemeinsam wie auch jeweils in ihren Glaubensgemeinschaften wollen Papst und Großimam Frieden, Dialog, Toleranz und echte Frömmigkeit fördern, jeder Instrumentalisierung von Religion für Hass und Gewalt entgegenwirken und für gleiche Rechte für alle eintreten.
„Eine Gerechtigkeit, die nur für Familienmitglieder, Landsleute und Gläubige desselben Glaubens gilt, ist eine hinkende Gerechtigkeit; sie ist verschleierte Ungerechtigkeit“, so hatte der Papst in seiner Rede am Abend des 4. Februar gewarnt. Selbst in den toleranten Emiraten genießen Nichtmuslime zwar Kultus-, aber keine Religionsfreiheit. Jeder Gläubige darf seine Religion ausüben, viele in offiziellen Kirchen und Tempeln, andere mangels Platz in angemieteten Hotelkonferenzräumen. Mission und Seelsorge unter anderen sind verboten. Für Muslime, die ihrer Religion den Rücken kehren, gilt offiziell noch die Todesstrafe. „Sie haben viel Lobenswertes erreicht, aber das alles lässt sich noch verbessern“, so ließe sich die höfliche, aber bestimmte Bilanz des hohen Gastes resümieren.
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