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Auf die positiven Kräfte schauen

Foto: Helmut Thewalt/Bistum Trier
Bischof Dr. Stephan Ackermann

Auf die positiven Kräfte schauen

9. April 2020
Als eine „ganz und gar außergewöhnliche Fastenzeit“ hat der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann die diesjährige Fastenzeit bezeichnet. Mit Blick auf die Corona-Pandemie sagte Ackermann, jede Krise enthalte auch ihre Chancen, etwa zur Selbstbesinnung. Das Interview von Bruno Sonnen, Chefredakteur des „Paulinus“, mit Bischof Dr. Stephan Ackermann.

„Ein Verzicht und eine Unterbrechung, wie wir sie noch nie erlebt haben“: So haben Sie die Fastenzeit am dritten Fastensonntag beim ersten Gottesdienst, der wegen der Corona-Krise aus dem Dom gestreamt wurde, bezeichnet. Wie bewerten Sie die Fastenzeit nun gegen Ende?
Das war diesmal wirklich eine ganz und gar außergewöhnliche Fastenzeit. Nun geht sie zwar nach dem kirchlichen Kalender zu Ende, aber die Verzichte, die uns die Coronavirus-Krise auferlegt, sind ja noch nicht zu Ende. Das Virus hat seinen eigenen Kalender … Und: Üblicherweise entscheiden wir selbst darüber, worauf wir in der Fastenzeit verzichten und worin wir uns einschränken. Das ist in dieser Krise auch anders. Was aber richtig ist: Jede Krise enthält auch ihre Chancen, etwa zur Selbstbesinnung. Mehr als andere Zeiten stellt eine Krise uns vor die Frage: Worauf kommt es wirklich an? Woraus beziehe ich meine Lebensenergie? Zugleich sind Krisen durchaus auch für positive Überraschungen gut: Ich staune, worauf ich verzichten kann, ohne dass mein Leben schon seinen Sinn verliert. Umgekehrt spüre ich vielleicht, dass mir bestimmte Dinge doch wichtiger sind, als ich gedacht habe, etwa die Beziehung zu manchen Menschen. Ob Fastenzeit oder Krisenzeit: Beide laden dazu ein, aufmerksam zu sein auf das, was vorgeht in der Welt und in mir selbst.
Die Vorgaben der staatlichen Behörden bedeuten massive Einschränkungen nicht nur des gottesdienstlichen Lebens, sondern vor allem auch der Seelsorge. Wie geht das Bistum damit um?
Die getroffenen Maßnahmen sind schmerzlich, ja irgendwie auch erschreckend. Ich denke besonders an das Verbot, sich an den Sonntagen oder in der Situation der Trauer und des Abschieds von verstorbenen Angehörigen zum Gottesdienst zu versammeln. Wie schrecklich, wenn man möglicherweise noch im Familienkreis auswählen muss, wer an einer Beisetzung teilnehmen kann. Wir verstehen alle den Sinn der Maßnahmen und tragen sie mit, aber das nimmt nicht den Schmerz.
Ansonsten nehme ich mit einer großen Dankbarkeit wahr, welche Kreativität unsere Seelsorger und Seelsorgerinnen, aber auch viele ehrenamtlich Aktive in unseren Gemeinden entwickeln, um trotz allem einander nahe zu sein. Da gibt es die vielen Dinge, die im Internet und in den sozialen Medien sichtbar sind: Gottesdienste und Gebete im Livestream, Videoclips, spirituelle Anregungen … Ich denke aber auch an die vielen Aktivitäten, die nicht sichtbar sind: Seelsorgerinnen und Seelsorger berichten von langen Telefonaten mit einzelnen Personen; von konkreten Hilfeleistungen, die ohne großes Aufheben für Menschen organisiert werden und vieles andere mehr.
In Ihrem Fastenhirtenbrief haben Sie das diakonische Engagement, den Dienst am Menschen, besonders in den Fokus gestellt – ein Aspekt, der durch die Epidemie ebenfalls an Aktualität gewonnen hat?
Ja, denn zum kirchlichen Leben gehören eben nicht nur die Menschen in der Seelsorge, sondern auch die vielen, die in pflegerischen und sozialen Berufen tätig sind und in dieser Zeit ganz besonders gefordert werden. Denken wir nur an das Personal in den kirchlichen Krankenhäusern, in Alten- und Pflegeheimen, in Einrichtungen für Kinder und Jugendliche wie auch für Menschen mit Behinderung. Wie schön, dass sie in dieser Zeit hohe Anerkennung und Dankbarkeit für ihren hingebungsvollen Einsatz erfahren. Hoffen wir, dass diese Wertschätzung auch über die Krise hinaus anhält und sich künftig auch mehr in der Ausstattung der Einrichtungen und in der Entlohnung bemerkbar macht! Auf einmal merken wir, dass nicht nur Banken für unsere Gesellschaft „systemrelevant“ sind. Es ist das Miteinander von politischen, wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Kräften, die unser gesellschaftliches System ausmachen. Ich will mich mit dafür einsetzen, dass die, die gerade jetzt oft bis zu Erschöpfung das System am Laufen halten, nach der Krisenzeit nicht wieder aus dem Blick geraten.
Wenn Sie die Situation gesamtgesellschaftlich anschauen: Was sind Ihre Eindrücke?
Welche Auswirkungen die Coronakrise auf unsere Gesellschaft insgesamt hat, werden wir erst im Nachhinein wirklich sehen. Wir wissen ja auch noch nicht, wie dramatisch die Lage möglicherweise noch wird. Nach meiner Einschätzung kommen in einer solchen Krise, erst recht wenn sie länger andauert, sowohl die positiven wie auch die negativen Kräfte in einer Gesellschaft zum Vorschein: Wir sehen Formen von Egoismus und Ellbogenmentalität, denken wir etwa an die Hamsterkäufe und die Diebstähle von Desinfektionsmitteln in Krankenhäusern; wir sehen alte Reaktionsmuster von Nationalismus wieder hochkommen. Andererseits gibt es unglaublich berührende Formen von spontaner Mitmenschlichkeit und Solidarität in unserem Land und auch positive Zeichen internationaler Kooperation und gegenseitiger Hilfeleistung. Entscheidend finde ich, dass wir auf die positiven Kräfte schauen und diese stärken. Dann besteht sogar die Chance, dass wir überrascht werden von dem Erfindungsreichtum und der positiven Widerstandskraft, die wir gegen die Corona-Pandemie entwickeln. Aber es ist klar: Das geht nur gemeinsam.
Welche Themen aus der Krise möchten Sie auch danach nicht aus dem Blick verlieren?
Verantwortung und Solidarität füreinander sind nicht nur Themen, die in der aktuellen Situation besonders wichtig sind. Sie werden dann, wenn das Gröbste im Kampf gegen das Virus überstanden ist, mindestens so wichtig sein, damit es nicht zu sozialen Verwerfungen in unserem Land kommt. Dann hätte das Coronavirus uns nämlich mit einem Erreger infiziert, der wahrscheinlich noch schwerer und langfristiger zu bekämpfen sein wird als das Virus selbst.
Verantwortung und Solidarität wird es auch international verstärkt brauchen. Wir spüren ja ganz unmittelbar, wie sehr alles mit allem zusammenhängt und wie wir als Menschheit miteinander verflochten sind. Kein Mensch und kein Land ist eine Insel für sich. Deshalb bleibt auch die Frage nach einem Lebensstil, der nicht zulasten der Schwachen und der kommenden Generationen geht, auf der Agenda.
Wie werden Sie in diesem Jahr Ostern feiern?
Das Wichtigste ist erst einmal, dass wir auch dieses Jahr Ostern feiern! Das Großartige an diesem Fest und der christlichen Botschaft insgesamt ist ja, dass sie nicht nur eine Botschaft für gute Zeiten ist. Wir schauen am Karfreitag auf Jesus, der seinen Gegnern hilflos ausgeliefert wird, der den Überblick über sein Leben verliert, der nicht weiß, ob es am Ende für ihn gut ausgeht, der nicht weiß, ob das Kreuz Krise ist oder das endgültige Aus. Darin ist der Gottessohn ganz solidarisch mit uns Menschen.
Vermissen werde ich die Festlichkeit unserer Gottesdienste im Dom, ganz besonders auch die Musik. Aber vielleicht werden die Gottesdienste, die wir im kleinen Kreis feiern werden – ob im Dom, in anderen Kirchen oder per Livestream zu Hause – etwas von den Hausgemeinschaften der Urkirche an sich haben, als sich die Christen zum Gebet in ihren Häusern versammelten. Das Osterhalleluja wird in unseren Kirchen in diesem Jahr verhaltener klingen, wird aber hoffentlich mehr als sonst zu Hause gesungen. Das wäre wunderbar!



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