Zum Tod des Saarbrücker Malers und Bildhauers Ernst Alt: eine Würdigung.
Wer in der Osterwoche zur Frühmesse in den noch fast dunklen Trierer Dom kam, sah im Dämmer des frühen Tages ein ungewohntes Licht leuchten – es war die Osterkerze auf dem hohen Osterleuchter, die täglich in der Frühe des Morgens entzündet wurde. Es ist nun das zweite Jahr, dass dieser große, in Bronze gegossene Leuchter seinen Osterdienst tut. In diesem Jahr möchte mir das frühe Licht in der Dämmerung wie eine Erinnerung an den Schöpfer dieses Kunstwerkes erscheinen, den Saarbrücker Maler und Bildhauer Ernst Alt, der in der Osternacht verstarb. Dieser Osterleuchter von beträchtlicher Größe ist das letzte monumentale Kunstwerk, das Ernst Alt geschaffen hat.
Monatelange Überlegungen und viele zeichnerische Entwürfe samt Modellversuchen im Raum waren der endgültigen Komposition vorausgegangen. Die Aufgabe, einen Osterleuchter für den Trierer Dom zu schaffen, war sowohl im Hinblick auf den römischen Raum als auch mit Blick auf die geistige Konzeption und seine formale Realisierung äußerst anspruchsvoll. Da Ernst Alt bereits ein Nachlassen seiner Kräfte ahnte, begann er mit Zweifeln, ob er das Werk vollenden könne. Leider bestätigten sich seine Ahnungen: Er konnte die letztgültige Vollendung seines Werkes und dessen Aufstellung nicht mehr erleben. Wie mit letzter Kraft und unterstützt von Helfern lieferte er den Bronzeguss des Modells ab. Die Kölner Gießerei Lotito Polzoni war durch jahrzehntelange Zusammenarbeit mit Ernst Alt auf seine Art des Arbeitens eingestellt und vollendete den Guss.
Der Leuchter ist so etwas wie eine monumentale Summa seines Glaubens und seines Schaffens geworden – und das in Erinnerung an die großen übergreifenden Epochen der biblischen Heilsgeschichte: Beginnend in der Sockelzone mit den Vier Strömen es Paradieses, dann, in Etagen aufsteigend, mit weiteren Vierergruppen des Alten Testamentes (Propheten) und des Neuen (Evangelisten), weiter aufsteigend über jene vier Kirchenväter, die durch enge Beziehungen zum antik-römischen Trier ausgezeichnet sind – bis zur Darstellung der visionären himmlischen Stadt des Neuen Jerusalems, aus dessen Mauern sich das strahlende Osterlicht erhebt. Die Figuren bilden selbst die Säule des Leuchters.
Wer den geistigen und den künstlerischen Werdegang dieses Künstlers aus seinen Anfängen mitverfolgen durfte, steht staunend vor den Werken und damit auch vor dem schaffenden Geiste eines Menschen, der sich seinen enormen Bildungshorizont selbst erobert hatte. Ihm war der geistigkulturelle Reichtum der Antike wie des Mittelalters und der Moderne – und das in seiner Kontinuität – vertraut; es war seine geistige Welt. Die Fülle der bildnerischen Werke hat er für den Kirchenraum geschaffen: Altäre, Lesepulte, Tabernakel, Taufbecken – ja ganze Altarraumausstattungen. Symbole und Bilder sind nicht äußerlich aufgetragen, sondern aus der Funktion entwickelt.
Die unseren Künstler lange genug kannten, werden in seiner Lebenseinstellung – jenseits seiner vulkanischen Erregbarkeit – etwas von jener Gelassenheit (nicht Fatalismus) gespürt haben, die in einem christlichem (!) Gottvertrauen – selbst vor dem Horizont eschatologischer Bedrängnisse – entstehen kann. Einer unserer großen Dichter hat es in seinem anrührenden Gedicht „Die Teilung der Erde“ wie mit einem Bild aus der alten Mythologie beschrieben. Schiller lässt den Künstler in jenem kindlich-naiven Vertrauen mit dem „Göttervater“ reden – wie es ein Christ gelernt hat, zu dem Christi Kunde vom „Abba-Vater“ gedrungen ist.
Gott hatte die Erde den Menschen zur Inbesitznahme überlassen. Jeder Stand hatte sich seinen Teil genommen. Da kam auch der Poet – zu spät. Er beklagte sich bei Gott, der hart antwortete: „Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?“ /„Ich war,“ sprach der Poet, „bei dir. / Mein Auge hing an deinem Angesichte / An deines Himmels Harmonie mein Ohr; / Verzeih dem Geiste, der von deinem Lichte / Berauscht, das Irdische verlor!“ / „Was tun? Spricht Zeus – die Welt ist weggegeben, / der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein. / Willst du in meinem Himmel mit mir leben, / Sooft du kommst, er soll dir offen sein.“
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